Zwergenfluch: Roman
dünne Fäden, doch das Gestrüpp wurde dichter und dichter. Sein Schwung wurde rapide abgebremst, dennoch trug sein Ansturm den Troll gut zwei, drei Meter weit in das Dickicht hinein, ehe sich so viele Ranken wie Fesseln um seine Beine geschlungen hatten, dass nicht einmal seine Kraft mehr ausreichte, sie zu zerreißen. Mit wild rudernden Armbewegungen versuchte er das Gleichgewicht zu halten, doch vergeblich. Der Länge nach stürzte er nach vorne.
Warlon blieb ein paar Meter abseits keuchend stehen und rang nach Luft. Er hatte das Gefühl, stattdessen Glassplitter einzuatmen.
Trotzdem erfüllten ihn Triumph und Schadenfreude, als er sah, wie der Troll bäuchlings und mit von sich gestreckten Armen und Beinen inmitten des Dornengestrüpps lag, wild brüllte und vergeblich versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Wahrscheinlich vermochten die Dornen seine schuppige Haut nicht zu durchdringen und ihm wehzutun, aber je mehr er sich bewegte, desto tiefer verstrickte er sich wie in einem Netz in dem Gewirr der Ranken.
Warlons Erleichterung hielt jedoch nicht sehr lange an. Auf eine Gelegenheit wie diese hatte er während seiner Flucht gehofft, doch durfte er keine Zeit mehr vergeuden. Der Troll stellte sich so ungeschickt an, dass es sicherlich komisch gewirkt hätte, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, aber er war einfach zu stark, als dass das Dickicht ihn sonderlich lange aufhalten würde. Zwar verstrickte er sich dauernd in immer neuen Ranken, aber mehr und mehr von ihnen zerrissen auch unter dem bloßen Ungestüm seiner Bewegungen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er das gesamte Gestrüpp um sich herum entweder plattgewalzt oder zerfetzt hatte.
Rasch untersuchte Warlon die Halterung seiner Axt. Eine Schlaufe hatte sich vermutlich beim Kriechen über den Boden verhakt. Er richtete sie wieder und bekam die Axt endlich frei. So schwer jede Bewegung ihm mittlerweile auch fiel, hastete er auf den Troll zu. Dieser erkannte die ihm drohende Gefahr. Mit äußerster Kraftanstrengung riss er seinen rechten Arm frei und versuchte damit nach dem Angreifer zu schlagen. Warlon hieb mit der Axt zu, traf in der Luft den heransausenden Arm des Giganten dicht unterhalb
des Ellbogens und trennte ihn ab. Blut spritzte aus dem Stumpf.
Der Troll stieß ein markdurchdringendes Brüllen aus, das sicherlich meilenweit zu hören war. Vergeblich versuchte er sich herumzuwälzen. Die Dornenranken hielten ihn wie Fesseln, und die schreckliche Wunde schwächte ihn bereits so, dass er sie nicht mehr zu zerreißen vermochte.
Als Warlon sich seinem Kopf näherte, schnappte der Troll mit seinen schrecklichen Raubtierzähnen nach ihm, doch er wich geschickt zur Seite aus und ließ seine Axt auf die Kehle des Giganten niedersausen. Tief drang die scharfe Schneide in seinen Hals ein, aber Warlon musste noch ein zweites Mal zuschlagen, um den Kopf des Trolls vollends von den Schultern zu trennen.
Schwer atmend blickte er auf den gewaltigen Leichnam vor sich herab. Selbst im Tod wirkte das Ungeheuer noch gefährlich, und er konnte kaum glauben, dass er es tatsächlich besiegt hatte, wenn auch nur mit List und viel Glück. Erschöpft wie er war, hätte er sich gerne etwas ausgeruht, doch die Sorge um Ailin und seine übrigen Gefährten ließ das nicht zu.
Zuvor hatte er befürchtet, dass er den Rückweg zu der Stelle, an der der Überfall stattgefunden hatte, nicht mehr finden würde, doch jetzt wurde ihm bewusst, wie unsinnig diese Furcht gewesen war. Die Schneise, die der Troll durch das Unterholz geschlagen hatte, war nicht zu übersehen. Er brauchte ihr nur zu folgen.
Warlon lief los.
Dass man einer Spur stets von zwei Seiten aus folgen konnte, wurde ihm erst bewusst, als er hinter einer Biegung des Trampelpfads fast mit zwei Tzuul zusammenprallte.
Die beiden hässlichen Kreaturen waren mindestens ebenso überrascht wie er selbst, doch eine von ihnen reagierte um eine Winzigkeit schneller als er.
Warlon sah eine kopfgroße Faust auf sich zurasen, dann umfing ihn Dunkelheit.
16
DER STURM BRICHT LOS
»Alarm!«, brüllte Loton mit dröhnender Stimme über die Brüstung zu den Kriegern hinunter. »Macht euch kampfbereit! Der Feind rückt heran, die Priesterinnen spüren bereits sein Nahen. Kämpft tapfer und schlagt ihn zurück, wo immer er sich zeigt!«
Fast augenblicklich verstummte sämtliches Raunen und Tuscheln. Nur das Klirren von zahlreichen Speeren und Schwertern, die aus ihren Scheiden gerissen wurden, war
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