Zwergenfluch: Roman
ansehen, dass sie lieber die Nacht hier in der Stadt verbracht hätten und erst am nächsten Morgen weitergegangen wären, aber es würde noch mehrere Stunden bis zum Einbruch der Nacht dauern, und diese Zeit wollte er nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Im Idealfall würden sie diesen Malcorion noch an diesem Abend treffen, anderenfalls würden sie die Nacht eben im Wald verbringen, was immerhin noch deutlich besser war als in freiem Gelände. Es war angenehm warm, ohne dass es allzu heiß geworden wäre, und es sah weder nach Regen noch nach Sturm aus.
Durch den guten Zustand der Straßen, über die sie in den vergangenen Tagen gezogen waren, waren sie diesbezüglich ein wenig verwöhnt. Der Weg in die Wälder hingegen war kaum mehr als ein Trampelpfad, teilweise von Unkraut überwuchert und schon seit langer Zeit kaum noch benutzt, sodass sie längst nicht mehr so schnell wie erhofft vorankamen.
Nur quälend langsam schienen sie sich den Wäldern zu nähern. Immer häufiger warf Warlon besorgte Blicke zum Himmel hinauf. Die Sonne sank immer tiefer und die ersten Schatten der Dämmerung legten sich schon über das Land, als sie endlich den Rand des Waldes erreichten.
Unter dem dichten Blätterdach der Bäume war es bereits so finster, dass Warlon während der ersten Sekunden kaum noch etwas sehen konnte. Auch als seine Augen sich an das Zwielicht gewöhnt hatten, reichte sein Blick nicht mehr weiter als gerade noch ein Dutzend Schritte. Alles, was weiter entfernt lag, verschmolz zu einer schwarzen Wand aus Unterholz, Schatten und Dunkelheit, hinter der sich alles nur Denkbare verbergen mochte.
Langsamer als zuvor gingen sie voran. Warlons Hoffnungen, Malcorion noch an diesem Abend finden zu können, sanken. Höchstens noch eine halbe Stunde, dann wäre es so dunkel, dass sie nicht mehr weiterkonnten. Natürlich hätten sie Fackeln anzünden können, aber er bezweifelte, dass ihnen das mehr nützen würde, als wenn sie ein Lager
aufschlugen und ein Lagerfeuer entfachten. Xantirox hatte gesagt, Malcorion würde alles bemerken, was in seinen Wäldern vor sich ging, und von sich aus Kontakt mit ihnen aufnehmen, wenn er das wünschte.
Warlon überlegte, ob er nach ihm rufen sollte, aber er bezweifelte, dass das Wirkung zeigen würde. Schließlich hatten sie das riesige Waldgebiet gerade erst betreten. Vermutlich war es das Beste, wenn sie noch ein Stück weitergingen und Ausschau nach einem geeigneten Rastplatz für die Nacht hielten. So standen die Chancen gut, dass Malcorion ihr Feuer irgendwann in den kommenden Stunden bemerken und sie beobachten würde. Am nächsten Morgen konnten sie dann nach ihm rufen, um ihm zu zeigen, dass sie gerne mit ihm sprechen wollten.
Während er seine Überlegungen anstellte, achtete Warlon ein paar Sekunden lang nicht auf den Weg. Er stolperte über eine im Halbdunkel kaum zu erkennende Baumwurzel und wäre fast gestürzt. Nur mit Mühe konnte er das Gleichgewicht halten.
Und dann …
Alles ging zu schnell, als dass Warlon richtig mitbekam, was überhaupt geschah. Etwas kam aus der Dunkelheit herangerast, und einen Sekundenbruchteil später stieß Silon neben ihm einen erschrockenen Schrei aus. Ein Dolch hatte ihn an der Brust getroffen, war aber vom Kettenhemd abgeprallt, das außer Ailin jeder von ihnen trotz der damit verbundenen Unannehmlichkeiten auf Warlons Geheiß hin unter der normalen Kleidung trug.
»In Deckung!«, brüllte er. »Ailin, auf den Boden!«
Weitere Dolche zischten aus der Tiefe des Waldes heran. Schützend warf Warlon sich auf die Priesterin, die zu spät reagierte, und riss sie mit sich zu Boden. Einer der Dolche
streifte seinen ungeschützten Arm und brannte eine feurige Linie aus Schmerz in seine Haut.
Um ihn herum herrschte Chaos. Warlon sah mehrere Tzuul aus dem Dickicht brechen, aber da waren auch andere, noch viel größere Wesen. Er versuchte erst gar nicht, sich einen genaueren Überblick zu verschaffen, seine Sorge galt für den Moment in erster Linie Ailin. Zusammen mit ihr kroch er flach auf den Boden gepresst auf das Unterholz zu, das den Weg begrenzte. Die ersten Farngewächse schlossen sich um sie, und er wollte schon erleichtert aufatmen, als eine Hand ihn von hinten packte und grob zurückriss.
Ein Wesen, das geradewegs einem Albtraum entsprungen zu sein schien, ragte vor ihm auf. Es war das erste Mal, dass Warlon mit eigenen Augen einen Troll erblickte, und auf diese Erfahrung hätte er liebend gerne verzichtet.
Die Kreatur war
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