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Zwergenfluch: Roman

Zwergenfluch: Roman

Titel: Zwergenfluch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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Warlon sich dagegen gesträubt hatte, noch einmal hierherzukommen. Vielleicht stellte nicht das in den Stein eingravierte Muster etwas Fremdes in der Wirklichkeit dar, sondern er hatte umgekehrt einen Schritt in die Welt der Albträume und Nachtmahre getan.
    Barlok versuchte diese Gedanken abzuschütteln. Er verstand selbst nicht, was mit ihm los war. Zwerge waren für ihren Pragmatismus bekannt und dafür, keine Traumtänzer zu sein, doch Barlok hatte sich stets eingebildet, noch eine gehörige Portion fester mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen zu stehen als der Rest seines Volkes. Umso mehr erschreckte ihn, was jetzt in seinem Verstand vorging. Er wollte sich abwenden, um den fremden Einfluss abzuschütteln, der immer mehr von ihm Besitz zu ergreifen
drohte, je länger er das Bild anstarrte, doch er schaffte es nicht. Gleichzeitig gelang es ihm auch nicht, das Muster vor sich richtig zu erkennen. Je stärker er sich auf die ineinander verschlungenen Linien und Formen zu konzentrieren versuchte, desto mehr verschwammen sie vor seinen Augen und entzogen sich ihm, als wären sie kleine, sich windende Lebewesen.
    Seine Hände begannen zu zittern, und nur mit Mühe gelang es ihm, seine Axt weiterhin festzuhalten. Ein heftiges Schwindelgefühl befiel ihn, und hinter seiner Stirn erwachte ein stechender, sich rasch steigernder Schmerz.
    Er glaubte Formen zu sehen, die es einfach nicht geben konnte: Winkel, die größer als ein voller Kreis waren, Geraden, die sich schnitten und einander umspielten, Kreise, die zugleich Rechtecke waren …
    Barlok merkte, wie sich sein Geist immer mehr verwirrte, aber er konnte nichts dagegen tun. Der bloße Anblick der Felsgravur war wie ein Sturz in einen Abgrund, an dessen Ende Wahnsinn oder noch Schlimmeres lauerte. Hätte er nur noch wenige Sekunden länger auf das Bild gestarrt und geistig zu erfassen versucht, was sich mit dem Gehirn eines Zwerges einfach nicht erfassen ließ, vielleicht hätte er tatsächlich den Verstand verloren. Doch dazu kam es nicht. Gerade noch rechtzeitig fühlte er sich von Warlon gepackt und zurückgerissen. Er verlor das Bild aus den Augen, und im gleichen Moment war der Bann gebrochen. Keuchend schloss Barlok die Augen und bemühte sich, das Chaos in seinen Gedanken wieder unter Kontrolle zu bekommen. Noch immer verspürte er rasende Kopfschmerzen.
    »Was ist mit dir?«, vernahm er Warlons Stimme wie aus weiter Ferne.
    »Es... es geht schon«, krächzte Barlok. »Dieses Bild...«
    »Es ist abstoßend. Mir wurde richtig schwindlig, als ich es angesehen habe. Ich möchte wissen, was für ein Volk so etwas erschaffen hat.«
    »Keines, das wir kennen, so viel steht fest«, stieß Barlok hervor. Allmählich begann er sich zu erholen, doch verspürte er noch immer ein Entsetzen wie niemals zuvor in seinem Leben. »Wer immer diese Symbole eingraviert hat, muss für uns ungeheuer fremdartig sein. Oder kannst du dir vorstellen, was für eine Art von Wesen solche Bilder schaffen könnte? Ich glaube nicht, dass wir uns wirklich wünschen sollten, ihnen zu begegnen. Hoffen wir lieber, dass sie ausgestorben oder wenigstens schon vor langer Zeit von hier fortgegangen sind.«
    Dabei wusste er, dass seine Worte nicht mehr als ein frommer Wunsch waren. Einen Toten hatte es bereits gegeben, und es war wohl kaum ein Zufall, dass der Mord unmittelbar nach dem Einreißen der Felswand zwischen den Minen und dieser Höhle direkt neben ebendiesem Durchgang stattgefunden hatte. Offenbar waren die Unbekannten nicht nur fremdartig, sondern ihnen auch feindselig gesinnt.
    »Ich habe mehr als genug gesehen«, stieß er hervor. »Verschwinden wir von hier.«
    Dieser Aufforderung kam Warlon nur zu bereitwillig nach. Gemeinsam verließen sie die Höhle. Barlok betrachtete die Wände und vor allem die Decke des Durchgangs ganz genau und stieß ein paarmal mit dem Griff seiner Axt gegen verschiedene Stellen des Felsens, ehe er verdrossen den Kopf schüttelte. Er hatte gehofft, einen Steinschlag auslösen zu können, um die Öffnung wieder zu verschließen, aber das wäre höchstens mit Sprengpulver zu erreichen, wovon sie jedoch nichts dabeihatten. Ein letztes Mal
suchte er forschend das Gebiet um den Durchgang herum ab. Aber da war keine Nische, kein Felsvorsprung, hinter dem sich jemand - oder etwas - hätte verstecken können. Was auch immer Talos getötet hatte, musste sich wieder zurückgezogen haben.
    Plötzlich fiel ihm etwas auf. Er bückte sich und hob einen der

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