Zwergenkinder (04) - Der Kristall der Zwerge
sicher, ob sie wirklich angreifen wollten .«
»Angesichts der Zerstörungen, die man überall in Hiros sieht, besteht daran ja wohl kein Zweifel!«, meinte Tomli. »Ich weiß ja nicht, wie es hier war, aber dort, wo ich mit Ambaros gewesen bin …«
Ehe der Zwergenjunge von seinen Erlebnissen berichten konnte, fiel ihm der Zentaur ins Wort und schilderte mit weit ausholenden Gesten und hochtrabenden Worten, was sich zugetragen hatte: »Ein Mauerstück von der Größe dieser ganzen Herberge drohte auf eine hilflose Menge zu stürzen und alle unter sich zu begraben. Doch Tomli trat todesmutig direkt unter diesen gewaltigen Brocken Stein und hielt ihn mit seiner machtvollen Magie in der Luft, bis auch der letzte von uns wehrlosen und der Zauberei unkundigen Geschöpfen den Gefahrenbereich verlassen hatte.«
Tomli runzelte die Stirn. So gewaltig hatte er das Mauerstück nicht in Erinnerung, und so heldenhaft, wie es der Zentaur schilderte, war er sicher nicht gewesen. Sehr wohl in Erinnerung geblieben war ihm allerdings die furchtbare Angst, die er gehabt hatte – und die Tatsache, dass das Stück Eisen, das er sich als Zauberstab auserkoren hatte, am Ende auch noch auf dem Boden statt in seiner Hand gelandet war.
Fast hörte es sich so an, als würde Ambaros über jemand anderen berichten.
Inzwischen waren auch Olfalas und Meister Saradul hinzugekommen.
Der Zaubermeister hatte wie üblich seinen Rucksack mit dem Buch Heblons und der Drachenschuppe auf dem Rücken. Diese beiden kostbaren magischen Gegenstände ließ er nicht einmal für die paar Minuten unbeaufsichtigt.
Als Ambaros erzählte, dass Tomli nach seinem Heldenstück in ganz Hiros als großer Magier bekannt sei, platzte Meister Saradul der Kragen. »Ein großer Magier! Dass ich nicht lache!«, rief er. »Ein Lehrling, mehr ist er nicht! Aber da die Kunst der Magie in dieser Stadt nicht so gepflegt wird wie bei uns in Ara-Duun, lassen sich die Leute hier leicht beeindrucken und verwechseln einen Anfänger mit einem Meister.«
»Ich glaube, die waren alle nur sehr froh darüber, dass sie nichts auf den Kopf bekommen haben«, mischte sich Tomli beschwichtigend ein. »Aber ein Gutes hat das Ganze: Ich habe jetzt einen Zauberstab.«
Voller Stolz zog er den Eisenstab hervor. Eigentlich hatte er vorgehabt, mit einer einfachen Formel eine Lichtblase an der Spitze entstehen zu lassen, weil das recht eindrucksvoll wirkte, aber dann verzichtete er lieber darauf. Es war an diesem Tag wirklich schon genug geschehen, da wollte er nicht riskieren, dass ihm am Ende noch irgendein verhängnisvoller Fehler unterlief.
Meister Saradul sah sich den Stab argwöhnisch an. Er erzeugte in seiner Handfläche ein Licht, um ihn besser betrachten zu können. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich dabei wieder einmal so sehr zusammen, dass sie über der Nase aneinanderstießen.
»Und damit willst du zaubern?«, fragte er skeptisch.
»Damit habe ich gezaubert!«, gab Tomli zurück.
»Ja, und vielleicht solltet Ihr Euren Schüler für die große Tat loben, die er vollbracht hat«, schlug Ambaros vor. »Schließlich hat er einer ziemlich großen Anzahl von unterschiedlichsten Geschöpfen das Leben gerettet.«
Saradul knurrte etwas Unverständliches vor sich hin, und Lirandil ergriff das Wort: »Ich weiß nicht, ob ein Lob aus Elbenmund einem Zwergenzauberer …«
»Schweigt, Lirandil!«, fuhr Meister Saradul heftig dazwischen. »Ihr beleidigt damit meinen Schüler!«
»Beleidigen?«, fragte der Elb verwirrt.
»Die größte Demütigung für einen Zwerg ist das Lob eines Elben. Also, was immer Ihr auch sagen wollt, behaltet es für Euch.«
Saradul räusperte sich, dann wandte er sich wieder seinem Lehrling zu. Er druckste herum. Offenbar fiel es ihm schwer, das zu sagen, was alle von ihm erwarteten.
»Ich bin stolz auf dich, Tomli.« Sofort wurde er wieder mürrisch. »Aber was deinen Zauberstab angeht …«
»… so könntet Ihr vielleicht so freundlich sein, ihn mit einem Zauber zu belegen, der sein Gewicht etwas mindert, damit er mir nicht andauernd aus dem Gürtel rutscht«, vollendete Tomli den Satz seines Meisters.
Dieser seufzte schwer. »Meinetwegen«, gab er nach. »Anscheinend hast du dich bereits geistig an ihn gebunden.«
»Ist das nicht allzu verständlich?«, fragte Ambaros. »Immerhin hat ihm der Stab in einer sehr schwierigen Situation geholfen!«
Saradul warf Ambaros einen verärgerten Blick zu. »Mischt Euch nicht in Dinge ein, von denen Ihr nichts
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