Zwergenkinder 3
nicht durchdringen, die Rugala umgibt, denn sie verwirrt ihn derart, dass er die Orientierung verliert. Er hat sich von einem Gegenstand leiten lassen, dem starke Magie innewohnt.«
»Ubraks Axt?«, vermutete Arro. Er umklammerte mit beiden Händen ihren Stiel und machte einen Schritt zurück, weil er befürchtete, König Wendur würde ihm die wertvolle Waffe wieder entreißen.
Doch daran dachte der König nicht. »Nein«, sagte er. »Die Magie der Axt ist zu alt, und alte Magie ist zwar besonders mächtig, aber für Wassergeister, die einen Wegweiser brauchen, zu wenig veränderlich. Auch so ein läppischer Zauberstab kommt nicht infrage, den könnte Rhialban kaum erspüren.«
Suchend blickte sich der zauberkundige König um. Seine Augen bekamen dabei einen eigenartigen Glanz, und als sich sein Blick auf Meister Saradul heftete, leuchteten sie für einen Moment auf.
Er hob die Hände. Kleine Blitze zuckten zwischen den Fingerspitzen, und auf einmal wurde Meister Saradul grob emporgerissen. Das Buch Heblons löste sich aus seinem Rucksack und schwebte auf den König zu. Es öffnete sich, während der Zwergenzauberer wieder zu Boden fiel.
Aufgeschlagen landete das Buch in den ausgestreckten Händen von König Wendur, dessen Augen von einem grellen weißen Leuchten erfüllt wurden. Er hielt das Buch, als habe es überhaupt kein Gewicht, und senkte den Blick hinein.
Die Rostgoldseiten blätterten sich von allein um.
»Ah«, sagte Wendur schließlich, »jetzt verstehe ich schon mehr. Dieses Buch hier enthält neue Magie. Keine fünfhundert Jahre alt und immer in Veränderung begriffen – wie geschaffen, um einen Wassergeist durch den Nebel zu leiten wie ein Leuchtfeuer in der Nacht.«
Zwei Diener kamen herbeigeeilt und nahmen dem König das schwere Buch ab. Sie trugen es mit sichtlicher Mühe, denn sie hatten dabei keine magische Unterstützung und verfügten auch nicht über starke Zwergenmuskeln.
»Ihr werdet dieses Buch alsbald zurückerhalten«, versicherte König Wendur. »Keine Sorge, ich bin kein Dieb. Ihr sollt meine Gäste sein, und es wird Euch an nichts fehlen. Es werden Quartiere für Euch hergerichtet, und Ihr werdet Gelegenheit haben, Eure Kleider zu trocknen. Heute Abend findet auf meiner Burg ein Bankett statt, und meine Gemahlin und ich würden Euch gern dabei begrüßen.«
»Was habt Ihr mit dem Buch vor?«, rief Saradul wutentbrannt. »Solltet Ihr es in irgendeiner Weise beschädigen …«
»Ich werde es lediglich lesen«, erklärte König Wendur. »Und alles Weitere besprechen wir heute Abend.«
Saradul schnaubte zornig und rückte sich den Zwergenhelm zurecht.
» Meister, es ist besser so!« , sandte ihm Tomli einen intensiven Gedanken. » Wir sollten die Gastfreundschaft des Königs annehmen, denn ohne seine Hilfe werden wir es schwer haben, an eine Drachenschuppe zu gelangen.«
Schon an dem finsteren Gesichtsausdruck des Zwergenzauberers erkannte Tomli, dass dieser seinen Gedanken empfangen hatte.
»Schweig, Schüler!« , kam es ärgerlich zurück.
Gäste des Zauberkönigs
D en Gefährten wurden Zimmer zugeteilt, und den Zwergen brachte man Kleidung, die sie tragen konnten, solange ihre eigene vor dem Kamin trocknete.
Die Sachen passten ihnen kaum, denn sie waren offenbar für Halblinge geschneidert worden. Zwerge waren breiter und stämmiger als Halblinge, nur Tomli, der noch nicht ausgewachsen war, konnte sich in Hose und Wams hineinzwängen.
Arro, Olba und Saradul mussten Menschenkleidung tragen. Die Hosenbeine waren ihnen zu lang, die Wämser reichten bis über die Knie, obwohl die Schultern kaum Platz hatten, und das Kleid, das man Olba gab, wirkte so, als würde sie eine lange Schleppe hinter sich herziehen.
»Ist doch elegant«, meinte sie, als sie sich in dem Zimmer trafen, das Lirandil und Olfalas zugewiesen worden war. »Die Menschenfrauen in Ara-Duun tragen auch solche Gewänder.«
»Ist es nicht schon schlimm genug, dass junge Mädchen wie du das Zwergentum verleugnen, indem sie sich die Bärte entfernen lassen?«, beschwerte sich Saradul. »Jetzt gefällt dir auch noch die Mode der Langen! Bald wird man Zwerginnen nur noch für zu kurz geratene Menschinnen halten! Wie erbärmlich!«
»Die Zeiten ändern sich nun mal«, sagte Lirandil.
»Ja, aber das heißt nicht, dass ich das gutheißen muss!«
Das Zimmer, das man den Elben überlassen hatte, war einfach eingerichtet. Außer den Betten gab es kaum Möbel oder andere Einrichtungsgegenstände, dafür aber einen
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