Zwergenkinder, Band 01 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 01
mussten ihre Wüstenschiffe rechtzeitig erwischen.
Die Sandlinger-Kapitäne nahmen nämlich keine Rücksicht auf Passagiere und Anlieferer, die nicht pünktlich waren. Das brauchten sie auch nicht, schließlich waren sie die Einzigen, die in der Lage waren, die Wüste unbeschadet zu durchqueren, und so war jeder auf ihre Dienste angewiesen.
»Dann werde ich mich jetzt konzentrieren«, sagte Tomli, mehr zu sich selbst als zu den Zwergenwächtern, die ihn mit kritischen Blicken bedachten.
Doch sich bei diesem Höllenlärm gedanklich zu sammeln, war alles andere als einfach.
Tomli murmelte eine Formel, mit der man eine halbwegs vertraute Person auf geistiger Ebene erreichen konnte. Er hatte seinen Meister schon einmal dabei beobachtet, wie der den Schmied Yxli auf diese Weise gerufen hatte. Das war gewesen, nachdem Saradul eine Lieferung von magischen Amuletten erhalten hatte, die Yxli für ihn gefertigt hatte, und deren Gravur einen winzigen Fehler aufwies. Nur ein kleiner Schwung einer Zwergenrune war verkehrt, aber das machte aus dem gewünschten Glückszauber einen Schadenszauber. Tomli konnte sich noch gut daran erinnern, wie Saradul getobt hatte.
Magie war eben nicht ganz ungefährlich. Schon ein kleiner Fehler konnte üble Auswirkungen haben, wie Tomli schon am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
Er konzentrierte sich, so gut er es bei diesem Lärm konnte, und murmelte die Formel, aber irgendwie erreichte er weder den Geist von Yxli noch den seines Lehrjungen Arro.
Schließlich gab er es auf. »Es geht nicht«, sagte er.
»Ja, kein Wunder«, meinte Olba.
»Wieso? Willst du mich jetzt etwa belehren, wie ich zu zaubern habe?«, fragte der Zwergenjunge bissig.
»Also, ich weiß ja nicht viel darüber«, entgegnete sie, »und der einzige Zauberer, dem ich je bei der Arbeit zusehen durfte, war ein drittklassiger Zwerginnenbart-Entferner, der gewiss nicht so großartig war wie dein Meister. Aber soweit ich mich erinnere, hat der einen Zauberstab benutzt.« Sie deutete auf den von Tomli, der im Gürtel des Zwergenjungen steckte. »Auch du trägst einen bei dir. Warum benutzt du ihn dann nicht?«
»Tja, ehrlich gesagt … «, murmelte Tomli, doch er wurde sofort unterbrochen.
»Eine gute Frage«, stimmte der rothaarige Zwergenwächter zu. »Oder bist du nur ein Wichtigtuer, der uns unnötigerweise von der Arbeit abhält?« Er schaute Tomli streng an.
»Ein Schmied!«, rief wieder jemand, der vor dem umgestürzten Wagen stand. »Ohne Schmied ist nichts zu machen! Dann steht hier alles bis zum Abend still!«
In diesem Moment ließ die gestürzte karanorische Echse einen Laut vernehmen, der wie eine Mischung aus Gurgeln und Rülpsen klang. Offenbar hatte die Riechdecke das Geschöpf aus der Ohnmacht geweckt.
»Vorsicht! Vorsicht!«, riefen die Zwergenwächter. »Zur Seite, weg da!« Ein Gedränge entstand und setzte sich in der Menge fort.
»Im Namen von König Brondamil III . von Ara-Duun befehle ich dir, den Zauberstab einzusetzen, Zauberlehrling!«, forderte der rothaarige Zwergenwächter Tomli auf, und sein Tonfall machte deutlich, wie ernst es ihm war. »Andernfalls wirst du wegen Hilfeverweigerung in einem Notfall verhaftet!«
»Also gut«, sage Tomli resigniert. Er nahm den Zauberstab zur Hand und versuchte es noch einmal. Schon während er die ersten Worte der Formel sprach, spürte er, dass die magischen Kräfte, die er beschwor, eine wesentlich stärkere Wirkung hatten. Sie schienen seinen Körper zu durchfluten, der Stab begann zu glühen.
Das ist zu viel! , ermahnte sich Tomli. Bei allen Zwergenkönigen! Weniger! Weniger! Sonst gibt es ein Unglück!
Da erreichte er Arros Geist.
Den Lehrling des Schmieds kannte er ganz gut. Immer, wenn Meister Saradul in Yxlis Werkstatt kam, um ihm langatmig die Feinheiten der Amulette, Zauberdolche und was er sonst noch so bei ihm in Auftrag gab, zu erläutern, hatte Tomli Zeit genug, sich mit Arro zu unterhalten. Anfangs hatten sie miteinander Zwergenschach gespielt. Arro hatte immer verloren und einfach nicht glauben wollen, dass Tomli dabei niemals Magie einsetzte. Umgekehrt verlor Tomli gegen Arro stets im Armdrücken oder Fingerhakeln, und das hatte ebenfalls nichts mit Magie zu tun, sondern mit den gewaltigen Muskeln, die Arro durch die Arbeit mit dem Schmiedehammer bereits bekommen hatte, obwohl er sogar etwas jünger als Tomli war.
Tomli sandte seine Gedanken zu Arro: Es wird dringend ein Schmied im nordwestlichen Hauptgewölbe gebraucht, sonst
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