Zwergenkinder, Band 01 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 01
zwar noch ein Junge, aber auch junge Zwerge hatten schon Bärte. Alle Angehörigen des Zwergenvolkes trugen sie. Die Zwerge kamen schon damit auf die Welt, und auch wenn Tomlis Bart noch lange nicht so dicht und lang war wie der eines erwachsenen Zwergs, so bedeckte er doch den Großteil seines Kinns und der Wangen. Später einmal, wenn er alt genug war, würde er ihn sich vielleicht flechten, so wie sein Lehrmeister Saradul, dessen Bart vermutlich bis zum Boden reichen würde, hätte er ihn nicht zu sieben Zöpfen geflochten.
»Na, wirst du wohl, du faules Drachenvieh!«, rief Tomli, als der Laufdrache nun endgültig stehen blieb und durch ein weiteres, noch empörteres Brüllen deutlich machte, dass er unter gar keinen Umständen mehr bereit war, auch nur einen seiner Krallenfüße vor den anderen zu setzen.
Heißer, übel riechender und schwefelhaltiger Qualm drang aus seinem Maul, dann machte der Drache einen Sprung und krümmte gleichzeitig den Rücken, sodass Tomli in hohem Bogen aus dem Sattel flog.
Der Zwergenjunge landete jedoch weich im Sand.
Während der Laufdrache schnaubte, rappelte sich Tomli auf. Er zog sich das Wams aus grober Zwergenwolle glatt und rückte das Kurzschwert zurecht, das er am Gürtel trug. Dann hob er den Helm auf, den er beim Sturz verloren hatte. Doch bevor er ihn sich wieder aufsetzte, schüttelte er zunächst den Sand heraus.
Der Laufdrache stand da und sah ihn mit seinen rötlich schimmernden Augen an.
Tomli überlegte, ob er einen der Zaubersprüche anwenden sollte, die ihm sein Lehrmeister Saradul beigebracht hatte. Schließlich war Tomli ein Zauberlehrling, und ein Laufdrache war auch durch einfache Zwergenmagie zu beeinflussen.
»So warte doch auf mich!«, vernahm er da einen Ruf, und im nächsten Moment kam ein weiterer Laufdrache über die Dünenkette gelaufen, die Tomli eben hinter sich gebracht hatte. Im Sattel saß niemand anders als sein Meister – Saradul, einer der wenigen Zauberer unter den Zwergen.
Sein Haar war schon ganz weiß, doch das hatte nichts mit seinem Alter zu tun. Meister Saradul war gerade mal etwas über zweihundert Jahre alt, und auch wenn Zwerge lange nicht so alt wie die fast unsterblichen Elben wurden, so bekam niemand von ihnen weiße Haare, nur weil er bereits seinen zweihundertsten Geburtstag gefeiert hatte.
Tomli hatte Gerüchte darüber gehört, dass Meister Saraduls weiße Haare von einem magischen Experiment herrührten, das ihn zu viel Kraft gekostet hatte. Aber Meister Saradul weigerte sich, mit seinem jungen Schüler darüber zu sprechen.
Auch Saraduls Laufdrache schien keine Lust mehr zu haben, den Weg fortzusetzen. Aber der Zaubermeister kannte ein paar Formeln aus der Zwergenmagie, die den freien Willen des Laufdrachen außer Kraft setzten.
Saradul atmete tief durch. »Hier ist ein guter Ort für die heutige Lehrstunde«, sagte er und glitt aus dem Sattel. Dabei hielt er seinen Helm fest.
Wie alle Zwerge war er breitschultrig und kräftig. Seine Beine waren allerdings verhältnismäßig kurz – kürzer als die von Menschen, die im Land der Zwerge »Rhagar« genannt wurden.
»Laufdrachen sind nichts für lange Strecken«, meinte Tomli. »Für eine Reise in die Wüste sollten wir nächstes Mal ein Schiff der Sandlinger nehmen. Für unsere Laufdrachen haben wir uns eigentlich schon zu weit von der Stadt entfernt.«
»Ja, ich weiß«, stimmte Saradul ihm zu. »Aber ich möchte keines der Sandschiffe bei deinem ersten Versuch in der Nähe haben.«
»Warum nicht?«
»Deren Magie hätte dich irritiert, mein Schüler. Schließlich bist du ja noch ein Anfänger. Na ja, und zu Fuß wollte ich mich auch nicht hierher begeben. Also blieben nur die Laufdrachen.«
Beide Laufdrachen brüllten im selben Moment und voller Empörung laut auf. Dabei quollen Rauch und Flammen aus ihren Mäulern, und man mochte fast meinen, die beiden Geschöpfe hätten die Unterhaltung der Zwerge genau verstanden.
Die meisten zwergischen Gelehrten gingen sogar davon aus, dass Laufdrachen dazu in der Lage waren. Die Gelehrten der Menschen hingegen glaubten das nicht.
»Ihr wartet hier!«, befahl Meister Saradul den Laufdrachen und verstärkte seinen Befehl mit einem Zauberspruch in der alten Zwergensprache, die nur noch bei der Anwendung von Magie benutzt wurde.
Dann wandte sich Meister Saradul an seinen Schüler. »Lass uns hinter die nächste Dünenkette gehen, Tomli.«
»Aber warum denn?«
»Damit die armen Laufdrachen keinen Schaden davontragen,
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