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Zwergenzwist im Monsterland

Zwergenzwist im Monsterland

Titel: Zwergenzwist im Monsterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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tat ich jetzt, vorsichtig und mit unendlicher Geduld, wobei mich jeden Moment das unangenehme Gefühl beschlich, daß sich kleine, nadelspitze Fänge in meine ungeschützten Knöchel bohren könnten. Aber der blinde Passagier blieb verborgen. Ich schluckte. Ich hatte schon schlimmeren Gefahren niederhöllischer Natur ins Auge geblickt. Und wenn ich das Kompendium retten wollte, mußte ich mich wohl oder übel ans Werk machen.
    Der Augenblick der Wahrheit war gekommen.
    Ich ergriff das Buch und zog es mit einer blitzschnellen Bewegung aus dem Sack. Geschafft!
    Zwei kleine braune Augen blickten mich erstaunt an.
    »Eep!« schrie das Frettchen.
    Ich mußte lachen, hatte ich es doch offensichtlich nicht geschafft, Vushta ohne Begleitung zu verlassen. Mein neuer Begleiter war selbst für ein Frettchen sehr klein, vielleicht noch ein Jungtier.
    »Hallo«, sprach ich den Neuankömmling an. »Hast dich für eine kleine Reise entschieden, was?«
    »Eep!« antwortete das Frettchen fröhlich. Ich streichelte den kleinen Kopf mit meinem Daumen. Ich ertappte mich dabei, wie ich dümmlich vor mich hin grinste, wie es der Spezies Mensch beim Anblick von pusseligen kleinen Felltieren eigentümlich zu sein scheint. Ich hatte das Gefühl, daß mit dem Auftauchen dieses kleinen, pelzigen Burschen sich die Hälfte meiner Probleme in Luft aufgelöst hatte.
    Jetzt galt es allerdings, noch mit der anderen Hälfte des Problems fertig zu werden. Nur aus diesem Grunde hielt ich schließlich das Kompendium in meiner Hand. Es war höchste Zeit, ›Wind aus dem Nirgendwo‹ nachzuschlagen und das Problem zu lösen.
    Ich öffnete das Buch und schlug das Register am Ende auf, dann blätterte ich schnell bis zu den ›W‹-Seiten durch, hastig auf der Suche nach einer Antwort. Die letzte Seite begann mit den Worten ›Wombat, abgekocht als Trank‹. Zu weit. Ich blätterte zurück und fand ein paar Seiten weiter vorne, was ich gesucht hatte:
    ›Winde (siehe auch unter Brise, Sturm, Orkan, Hurrikan, Tornado…)‹
    Ich hatte nicht gedacht, daß der Eintrag so lang sein würde. Ich pfiff leise durch die Zähne.
    Mein Pfeifen wurde erwidert.
    Dieses Mal konzentrierte sich die Macht des Sturms auf die unteren Partien. Mein Kopf und meine Arme wurden noch von der Sonne gewärmt, während meine Beine und Füße auf der Stelle tiefgefroren wurden. Der Wind heulte über die Lichtung. Auf den Wildblumen bildeten sich Eiskristalle, dann verdorrten sie. Das Gras verwandelte sich von saftigem Grün in totes, lebloses Grau. Dem Wind folgte Gelächter, das diesmal wesentlich lauter und womöglich noch kälter als der Sturmwind klang.
    Ich schaute rasch wieder in das Buch und versuchte, meine froststarren unteren Extremitäten zu ignorieren. Ich überflog die Einträge:
     
Wind-Beschwörungen, einfach und schwierig
Wind-Kälte, Ursache und Vorbeugung
Wind-Flöten, Gebrauch bei Zaubersprüchen
     
    Es gab mehr Einträge, als ich anfangs gedacht hatte. Mein Blick tanzte noch schneller über die Zeilen, ich las von Winden in Orgeln und von solchen, die das Haus fegen, ganz zu schweigen von denen, die die Wellen schäumen ließen. Die Einträge schienen nicht enden zu wollen. Meine Handflächen begannen trotz des eisigen Windes zu schwitzen. Was war zu tun?
    »Dort wirst du auch nichts finden«, flüsterte eine Stimme mit der doppelten Kälte des Windes.
    Ich blickte in ein mir bekanntes Gesicht empor, wenn man es denn überhaupt Gesicht nennen mochte. Diese dunklen Brauen und den grinsenden Schädel würde ich überall erkennen. Ich blickte den Tod an.
    »Nett dich wiederzusehen.« Tods Stimme klang wie das Rascheln der trockenen Blätter im Wind. »Magst du unser kleines Spiel?«
    »S-Spiel?« flüsterte ich.
    Der Tod pfiff erneut leise, und die Winde heulten um uns herum. Er lachte, und die Luft war wieder unbewegt, auch wenn es nicht mehr die Luft des Sommers war. An ihrer Stelle hatte sich winterliche Kälte breitgemacht, die meine Finger taub werden und meine Zähne klappern ließ.
    »Hast du etwa vergessen«, antwortete der Tod, »wie gerne ich Spiele habe?«
    Das hatte ich in der Tat nicht. Mein Meister und ich hatten den Tod zuerst im verfluchten Tal von Vrunge getroffen, in dem wir von Geistern umzingelt worden waren, die nicht nur Ketten getragen und hohe Schreie ausgestoßen, sondern auch all die interessanten Tätigkeiten betrieben hatten, die sie zu ihren jeweiligen Lebzeiten bevorzugt hatten, vom heißen Kriegsgemetzel bis zur heißen Liebesnacht.

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