Zweyer, Jan - Rainer
den Kanal springen. Sind in wenigen Minuten am Unfallort.«
»Verstanden, Neptun Eins.«
Jetzt kam es auf Sekunden an. Im eisigen Kanalwasser würden die Schiffbrüchigen nur wenige Minuten überleben.
Der Einsatzleiter drückte die Sprechtaste: »Taucher fertig machen. Bergung von Überlebenden.«
Müller sah auf seine Uhr. Drei Taucher in Neoprenanzügen stiegen in ein Schlauchboot, starteten den Außenborder und nahmen in einem sicheren Bogen Kurs auf die dem Ufer abgewandte Seite des Schiffes.
»Taucher einsatzbereit. Beginnen mit Bergung«, meldete das Funkgerät. Zwei Rettungsschwimmer ließen sich vom Rand des Schlauchbootes rückwärts in das dreckige und kalte Wasser fallen.
Müller blickte erneut zur Uhr und schüttelte den Kopf. »Das hat über fünf Minuten gedauert«, brüllte er. »Über fünf Minuten. Viel zu lange. Jetzt macht doch endlich das Feuer aus.«
Zwei Feuerwehrmänner sprangen mit Feuerlöschern auf das Deck des altersschwachen Minensuchers und richteten ihren Löschstrahl auf eine qualmende Tonne. Eine Minute später hatte sich der Qualm verzogen.
»An alle«, rief Einsatzleiter Müller in sein Funkgerät.
»Übung beendet. Neptun Eins, bitte kommen. Vielen Dank für die Unterstützung.«
»Neptun Eins verstanden. War eine willkommene Abwechslung.« Das Boot drehte ab.
Müller schlug den Kragen seiner gefütterten Uniformjacke höher und wandte sich an die beiden Zugführer, die sich zu ihm gesellt hatten. »Das war Scheiße, meine Herren. Echte Scheiße. Das müssen wir noch einmal üben. Wenn es hier wirklich Leute gegeben hätte, die über Bord gegangen wären, hätten die Taucher sie nur noch als Eisklumpen bergen können.«
Die Zugführer machten betretene Gesichter.
»Einpacken und abrücken. Wir treffen uns später zur Übungsauswertung.«
Müller ging zu seinem Wagen, setzte sich auf den Beifahrersitz und goss heißen Tee aus einer Thermoskanne in einen Becher. Er hatte gerade einen Schluck genommen, als sich der Führer des Schlauchbootes über Funk meldete. »Herr Müller, einer der Taucher hat etwas entdeckt. Er glaubt, dass es sich um einen Wagen handelt.«
»Ein Auto?«, wunderte sich Müller.
»Ja. Der Taucher ist mit der stärkeren Lampe noch mal runter… Warten Sie, ich glaube, er kommt gerade hoch.«
Müller hörte Knacken und Gesprächsfetzen. Dann meldete sich die Stimme wieder. »Hören Sie? Ich bestätige. Auf dem Kanalgrund unter dem Kahn befindet sich ein PKW.«
Als Brischinsky und Baumann am Rhein-Herne-Kanal eintrafen, hatten sich trotz des miesen Wetters schon die ersten Schaulustigen eingefunden. Der Hauptkommissar gewann zunehmend den Eindruck, dass große Teile der Bevölkerung auf der Suche nach dem ultimativen Kick den Polizeifunk abhörten, um so wenigstens einmal im Leben eine echte Leiche, die nicht Oma oder Opa hieß, zu Gesicht zu bekommen.
Die Freiwillige Feuerwehr war bereits wieder auf dem Weg in ihre Wache. Nur Hauptbrandmeister Müller unterhielt sich noch fröstelnd mit einigen Polizeibeamten, die in der Nähe des tropfenden Mercedes warteten.
Brischinsky hielt seinen Dienstausweis hoch. »Wer von Ihnen kann mir…«
»Hauptbrandmeister Müller. Feuerwehr Herne. Ich bin der Einsatzleiter. Wir haben mit der Freiwilligen Feuerwehr hier heute eine Übung durchgeführt. Genau genommen mit der Taucherstaffel. Bergung von Verunglückten unter erschwerten Bedingungen. Dabei hat einer der Taucher den Wagen entdeckt, den wir dann hochgeholt haben. Wir haben den Kanalgrund nach möglichen Opfern abgesucht, aber nichts gefunden. Die Tür des Mercedes war übrigens schon offen.«
»Danke. Wir brauchen Sie hier nicht mehr.« Brischinsky wandte sich an die Uniformierten. »Tun Sie mir einen Gefallen und schicken Sie die Gaffer nach Hause. Dann sperren Sie den Platz hier ab. Die Spurensicherung wird jeden Moment hier eintreffen. Alles klar?«
Endlich folgte Brischinsky Baumann, der den Mercedes bereits in Augenschein genommen hatte.
»Keine Frage. Das ist der Wagen von Lorsow«, stellte der Kommissar fest. »Kennzeichen, Typ und Farbe stimmen. Und, komm mal mit.« Baumann ging um den Wagen herum und blieb am vorderen rechten Kotflügel stehen. »Ein kaputter Blinker und Scheinwerfer.«
»Könnte das durch den Aufprall auf das Wasser passiert sein?«
»Unwahrscheinlich. Die Wasseroberfläche liegt doch nur knapp zwei Meter tiefer. Wenn der Aufprall den Scheinwerfer tatsächlich zerstört hätte, wäre sicher auch der linke in
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