Zweyer, Jan - Rainer
war früher als Zwangsarbeiter auf dem Pütt tätig und ist aus verschiedenen Gründen nach dem Krieg in Deutschland geblieben. In den letzten Kriegstagen, kurz vor der Befreiung durch die Alliierten, hat Rastevkow gesehen, wie ein Nazi während eines Bombenangriffs zwei Zwangsarbeiter und einen deutschen Bergmann erschossen hat.«
»Warum hat der das getan?«
»Die Zwangsarbeiter wollten in einen Bunker flüchten, der Nazi war dagegen, ein Bergmann, Jupp war sein Name, hat sich eingemischt, tja…«
»Was hat das mit Lorsow zu tun? Er ist etwas über fünfzig.
Der war damals noch gar nicht auf der Welt.«
»Stimmt. Der Mörder war sein Vater.«
»Sein Vater?« Elkes Unterkiefer klappte vor Verblüffung nach unten. »Woher weißt du das?«
»Rastevkow hat den Täter einige Jahre nach dem Krieg auf einem Zeitungsfoto wieder erkannt. Das hat er mir selbst erzählt. Der Mann, ein mittlerweile honoriger Bürger, Geschäftsmann und Mitglied der Zentrumspartei, später der CDU, war im Kreis seiner damaligen Parteifreunde abgebildet.
Rastevkow hat mir das Bild beschrieben. Ich habe recherchiert und den Namen herausbekommen. Während meiner Nachforschungen habe ich erfahren, dass auch Pawlitsch nach diesem Bild gesucht hat und schließlich Lorsows Vater identifiziert haben muss.«
»Und das glaubst du?«
»Der Mann auf dem Bild ist ohne Zweifel Johann Lorsow.«
»Kann ja sein. Aber was heißt das? Gibt es irgendwelche Hinweise in alten Akten, die die Geschichte von Rastevkow bestätigen?«
»Es war ein Bombenangriff! Außerdem: Wer hat denn in dieser Zeit noch Akten geführt?«
»Dann hast du also nur die Aussage dieses Rastevkows?«
»Ja.«
»Und wo steckt der Mann?«
»Keine Ahnung.«
»Was heißt keine Ahnung? Hast du seine Anschrift nicht?«
»Nein.«
»Telefonnummer?«
»Auch nicht.«
»Wie bist du auf den angeblichen Zeugen gestoßen?«
»Er hat mich angerufen und sich mit mir am Schloss Strünkede verabredet.« Rainer erzählte ihr die Geschichte.
Elke schüttelte den Kopf. »Der Kerl ist ein Psychopath.
Warum, frage ich dich, ist dieser geheimnisvolle Rastevkow nicht zur Polizei gegangen?«
»Er hat befürchtet, dass ihm keiner glaubt.«
»Mit gutem Grund. Dass ein Bergmannsrentner, der auf der Suche nach Sensationen ist, auf einen solchen Quatsch reinfällt, kann ich mir ja noch so eben vorstellen. Aber ein halbwegs intelligenter Rechtsanwalt…?«
»Vielen Dank fürs Kompliment.«
»Keine Ursache. Und du glaubst wirklich…« Sie lachte.
»Rainer, entschuldige. Aber unterstellen wir einen Moment, dieser ominöse Rastevkow sagt die Wahrheit. Was hat der junge Lorsow damit zu tun?«
»Warte. Da ist noch etwas. Einer der Ermordeten war ein jüdischer Kaufmann aus Castrop, Abraham Löw. Der alte Lorsow hat dessen Haus und Firma übernommen.
Zwangsarisiert. Du weißt, was das heißt?«
Elke nickte. »War der Besitzübergang wirklich ungesetzlich?«
»Ich glaube schon.«
»Du glaubst?«
»Selbstverständlich fehlen noch hieb-und stichfeste Beweise.
Aber drohende Rückerstattungsforderungen könnten LoBauTech erheblich schaden. Wäre das kein Motiv? Es sind schon Menschen für nichtigere Gründe ermordet worden. Ich kann natürlich nur vermuten. Vielleicht möchte Lorsow auch den guten Namen seiner Familie schützen? Verhindern, dass das Andenken an seinen Vater beschädigt wird? Schließlich war der ja später ein hohes Tier im Kreistag.«
»Oder du hast eine wild blühende Fantasie. Meinst du wirklich, dafür würde Lorsow einen Mord begehen? Und dann noch mit seinem eigenen Auto? Nee, Rainer. Das überzeugt mich nicht. Übrigens, wenn du dir so sicher bist, warum bist du dann nicht schon längst zur Polizei gegangen?«
Esch schwieg.
»Dachte ich mir. Du traust dem Braten selbst nicht so ganz.«
»Deshalb wollte ich ja auch mit dir reden. Kannst du dir einen Grund vorstellen, warum Lorsow…?«
»Bist du verrückt?« Elke wurde ärgerlich. »Erwartest du tatsächlich von mir, dass ich mit dir darüber spekuliere, ob unserer Mandant ein Mörder ist? Du kannst nicht ganz richtig im Kopf sein!«
»Würdest du mit deinem Vater…?«
»Rainer, jetzt reicht es!« Elke war wirklich wütend. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mit meinem Dad über deine Hirngespinste spreche. Ich bewege mich schon jetzt auf ziemlich dünnem Eis. Schließlich bist du Nebenkläger im Fall Pawlitsch. Und Lorsow ist unser Mandant. Schon seit Jahrzehnten. Mein Vater und Lorsows Vater kannten
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