Zweyer, Jan - Rainer
Stuhl, der nicht weit entfernt von ihnen stand.
»Kennen Sie ihren Namen?«
»Nein.«
»Sie vermutlich auch nicht?«
Sven schüttelte den Kopf.
»War sie alleine? Oder hatte sie Begleitung?«
»Ja, sicher.« Lars lächelte. »Jemand, der so aussieht, bleibt bei uns nicht lange solo. Sie hat sich intensiv mit einem anderen Gast unterhalten. Es schien so, als ob die beiden sich gut kannten.«
»Wissen Sie, wer der Gast war?«
»Nein. Aber warum fragen Sie ihn nicht selbst?«
Die Beamten blickten sich verwundert an.
Lars grinste breit und zeigte an das andere Ende der Theke.
»Da hinten, der Schwarzhaarige, der gerade zu uns herübersieht.«
Charly Schwiebus erstarrte. Für Sekunden konnte er sich nicht bewegen. Einer der Barleute zeigte auf ihn. Und die Männer fixierten ihn aufmerksam. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft.
Hatte ihn jemand auf der Toilette beobachtet? Ja, so musste es gewesen sein. Der Drang nach dem Stoff hatte ihn die notwendige Vorsicht vergessen lassen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Der Stoff! Er musste das Koks verschwinden lassen. Die Toilette. Runterspülen. Und dann vielleicht… O
Gott, zu spät.
Ein Mann, vermutlich ein Zivilpolizist, stand auf, schaute zu ihm her. Der Bulle wechselte einige Worte mit seinem Nachbarn. Jetzt kam der Kerl auf ihn zu. Er musste…
Schwiebus starrte noch einen Moment mit angstverzerrtem Gesicht auf Buhlen, der sich näherte, schnappte sich seinen Mantel und rannte zur Tür. Hinter sich hörte er eine Stimme, die rief: »Warten Sie bitte.«
Und als er der Aufforderung nicht nachkam: »Bleiben Sie stehen! Polizei.«
Charly sprang die Stufen zum Ausgang hoch und drängte sich durch eine Gruppe von Urlaubern, die gerade die Spelunke betreten wollten. Planlos rannte er links die Straße hinunter, bis er neben der evangelischen Inselkirche stand. Einem ersten Impuls folgend, wollte er sich auf dem kleinen Friedhof hinter einer Natursteinmauer verstecken, spurtete aber dann doch noch die wenigen Meter bis zum Janusplatz und kroch ins kahle Unterholz gegenüber dem Lütje Teehuus.
»Scheiße.« Hechelnd stand Dieter Buhlen in der eisigen Kälte vor der Kirche und japste nach Luft. Er lauschte in die Dunkelheit. Nichts. Von hinten kamen eilige Schritte.
»Was war das denn?«, keuchte Günter Müller.
»Woher soll ich das wissen? Ich wollte den Kerl nur nach der Frau fragen, da springt der wie von der Tarantel gestochen auf und rast aus der Kneipe. Wenn nicht genau in dem Moment die Tourihorde in das Lokal eingefallen wäre, hätte ich eine Chance gehabt. Aber so? Mist, verdammter! Warum, frage ich mich, ist der Typ abgehauen, was meinst du?«
»Weil er etwas zu verbergen hatte.« Gemessenen Schrittes näherte sich Altehuus, die Mäntel der Kripobeamten über dem Arm. »Hier, ziehen Sie sie an, bevor Sie sich erkälten.«
»Was machen wir jetzt?«, wollte Müller wissen und suchte erfolglos nach seinen Zigaretten.
»Nichts.« Altehuus hielt Müller die Packung hin. »Lagen auf der Theke«, erklärte er. »Wir können jetzt hier in der Dunkelheit nach dem Flüchtigen suchen. Das dürfte wenig erfolgversprechend sein. Von der Insel kommt er vor morgen Mittag ohnehin nicht. Im Moment ist Ebbe. Da geht keine Fähre und kein anderes Schiff. Der Flugverkehr ist nachts sowieso eingestellt.«
»Und durch das Watt?«
»Er müsste durch die Priele schwimmen. Und das nachts im Winter und ohne Führer? Der reine Selbstmord. Nein, wenn der Kerl nicht völlig verrückt ist, bleibt er auf Juist. Ich verständige die Hafenmeisterei. Die werden ab morgen jeden auslaufenden Kutter überprüfen. Außerdem wird sich das Ereignis von heute Abend auf der Insel herumsprechen wie ein Lauffeuer. Dafür werden Lars und Sven sorgen. Das ist schließlich die Sensation. Ein Mord und ein flüchtiger Mann!
Wenn die Fähre kommt, überwachen wir die Einsteigenden.
Nach menschlichem Ermessen kann der nicht unbemerkt von der Insel. Wir kriegen den, ganz sicher.« Altehuus nahm die beiden Polizisten am Arm. »Kommen Sie, es hat keinen Zweck, wenn wir hier frieren. Lassen Sie uns noch etwas trinken gehen.«
Die drei Polizisten machten sich erneut auf den Weg in die Spelunke.
9
Einen Tag nach ihrer Ankunft wartete Rainer Esch vergeblich im Hotelfoyer auf den Makler. Dieser Schwiebus hatte ihn versetzt. Also ging er zunächst zurück aufs Zimmer, um mit Elke sein weiteres Vorgehen zu beraten und sie dazu zu bewegen, ihn bei seinen Gesprächen mit den potenziellen
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