Zweyer, Jan - Rainer
des roten Ziegelgebäudes in der Friesenstraße ging die Buchhandlung Koch ihren Geschäften nach. Rainer blieb einen Moment vor dem auffällig geformten, fast dreieckigen Schaufenster stehen und musterte die Auslage, ohne die Buchtitel wirklich wahrzunehmen. Seine Gedanken kreisten um das zurückliegende Verkaufsgespräch mit Schneider. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Schwiebus’
Ahnungen wohl auf Erfahrungen beruhten.
Peter Hanssen hatte seine Wohnung im ersten Stock des Gebäudes. Auch hier reagierte zunächst niemand auf sein Klingeln. Rainer wollte schon frustriert das Weite suchen, als er Schritte hörte. Wenig später öffnete ein bärtiger junger Mann.
»Ja?«
»Mein Name ist Esch, ich möchte Herrn Peter Hanssen sprechen.«
»Mein Onkel ist nicht da. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
Der Anwalt überlegte einen Moment. »Es geht um sein Grundstück im Loog. Wenn Ihr Onkel einen Verkauf erwägen würde…« Esch fahndete erfolgreich in seinen Taschen nach einer Visitenkarte. »Ich wohne im Hotel Achterdiek. Hier meine Karte.«
Der Vollbärtige nahm die Pappe in Empfang. »Ein Anwalt aus Herne? Arbeiten Sie für Steiner?«
»Mein Auftraggeber ist ein Makler aus dem Ruhrgebiet.«
Hanssen lächelte verstehend. »Dann hat Steiner also Konkurrenz bekommen. Die Hyänen haben Witterung aufgenommen und balgen sich jetzt um die Beute. Was wären Sie denn bereit, zu zahlen?«
»Ich weiß nicht, ob ich befugt bin…«
»Ach, kommen Sie. Steiner hat meinem Onkel fast hunderttausend für das Grundstück geboten. Und Sie?«
Rainer schluckte. Wenn er sich recht erinnerte, verfügte Hanssen über 750 Quadratmeter, das wären… etwas über 130
Mark pro Quadratmeter. Und Dezcweratsky war bereit, bis zu 1.000 DM zu zahlen.
Hanssen deutete sein Schweigen falsch. »Anscheinend will Ihr Auftraggeber nicht so tief in die Tasche greifen.« Er lachte bitter auf. »Sie sollten wieder nach Hause fahren und Ihrem Boss mitteilen, dass wir den Marktwert unseres Grund und Bodens ziemlich genau kennen. Vor allem unter Berücksichtigung dessen, dass auf den Grundstücken am Naturschutzgebiet Villen für reiche Pfeffersäcke entstehen sollen. Ich werde meinem Onkel sagen, dass Sie hier waren.
Ich glaube aber nicht, dass er Ihre Dienste in Anspruch nehmen wird. Wiedersehen, Herr Esch.«
Christian Hanssen schloss die Tür, ohne Rainers Entgegnung abzuwarten. Der blieb noch einen Moment perplex davor stehen, bis er sich nachdenklich auf den Weg zurück ins Hotel machte.
10
Das Telefon klingelte. Enno Altehuus nahm ab und meldete sich.
»Für Sie«, sagte er kurz darauf und reichte den Hörer an Müller weiter, der ihm gegenübersaß.
»Ja?«, bellte der Kripobeamte. Dann war zunächst Ruhe.
»Verstehe. Das wird ihn nicht besonders freuen. – Aha? – Ist ja interessant! – Wann? – Selbstverständlich. –Ja, Ihnen auch.«
Er wandte sich an Altehuus. »Wann kommt mein Kollege vom Hafen zurück?«
»Haben Sie den Signalton eben gehört?«
»Natürlich.«
»Das war die Fähre. Sie legt gleich ab. In etwa zehn Minuten ist Ihr Freund wieder hier.« Altehuus Widmete sich seinem Schreibkram.
Müller zuckte die Schultern und versuchte zum hundertsten Mal erfolglos, über das erste Level des Jump-and-Run-Spieles hinauszukommen, das er auf seinem Laptop geladen hatte. Er verstand die Welt nicht mehr. Sein neunjähriger Neffe hatte nach nur wenigen Stunden das höchste Level 25 erreicht und er krebste nach Wochen immer noch bei Stufe eins herum.
Scheißspiel. Entnervt legte er die Maus beiseite.
Der Juister sollte Recht behalten. Es dauerte keine fünfzehn Minuten, dann stiefelte Dieter Buhlen in das Büro. »Brr. Ist das kalt.« Er schälte sich aus seinem Mantel und klatschte mehrmals in die Hände, um seine Durchblutung anzuregen.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welche wollt ihr zuerst hören?«
»Die schlechte«, sagte Altehuus.
»Die gute«, meinte Müller.
»Also erst die schlechte: Unser Freund aus der Spelunke hat nicht versucht, auf die Fähre zu gelangen. Und jetzt die gute: Die Fährverbindung wird nicht eingestellt. Mit Packeis ist in den nächsten zwei, drei Tagen nicht zu rechnen, sagt der Hafenmeister. Ich kann also morgen fahren.« Er wandte sich triumphierend an seinen Kollegen. »Ist das was?«
»Wie man’s nimmt. Ich habe auch Nachrichten. Die gute: Die Gerichtsmedizin hat sich selbst übertroffen und die Obduktion bereits gestern Abend durchgeführt.«
»Die wollten
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