Zweyer, Jan - Rainer
leise.
8
Wütend über sich selbst kickte Charly Schwiebus eine leere Coladose, die jemand auf dem Janusplatz hatte liegen lassen, über den gefrorenen Weg. Warum nur zerplatzte sein mühsam aufgebautes Selbstbewusstsein in kleinste Teile, sobald ihm jemand nur selbstsicher genug gegenübertrat? So wie eben dieser Esch.
Charly war sich sicher, dass der Anwalt keine Ahnung gehabt hatte, worum es hier eigentlich ging. Bis er diesem Schnösel alles erklärt hatte. Na ja, nicht alles. Das beruhigte Schwiebus jedoch kaum. Er hätte sich nicht bluffen lassen dürfen und Dezcweratsky anrufen müssen. Aber das Auftreten dieses Kerls…
Und dann die Freundin! Eiskaltes, überhebliches Weib. Die Coladose musste erneut als Ventil herhalten. Scheppernd landete sie unter einem Busch, unerreichbar für einen weiteren Versuch, seine Aggressionen abzubauen. Den Makler fröstelte trotz des neu erworbenen dicken Wollschals und der gefütterten Lederhandschuhe. Er vergrub seine Hände im Mantel. Das leise Knistern der Zellophanpäckchen in der rechten Tasche beruhigte ihn etwas. Gleich würde es ihm besser gehen. Gleich…
Schwiebus beschleunigte seinen Schritt und erwog einen Moment, im Lütje Teehuus einzukehren, entschied sich dann aber doch für die Spelunke. Mehr los da am Abend. Lautere Musik, bessere Chance auf eine Anmache. Wenn er Erfolg hatte, war immer noch Zeit für ein romantisches Treffen zu zweit am offenen Kamin im Lütje Teehuus. Vielleicht würde er wieder auf die junge Schönheit mit den braunen Haaren treffen, die ihm ihren Namen verschwiegen hatte, aber einem kleinen Flirt nicht abgeneigt schien. Sie hatten sich vor zwei Abenden lange an der Theke unterhalten und Charly hatte den Eindruck gewonnen, dass aus dem Flirt auch mehr werden könnte, wenn ihn nur seine verdammte Unsicherheit nicht so hemmen würde. Er tastete wieder nach den Beutelchen. Aber damit war gleich Schluss, bestimmt.
Charly zwang sich zur Ruhe und ging wieder etwas langsamer. Es war ja nicht mehr weit. Nur noch um diese Ecke.
Die wenigen Stufe in die Kneipe sprang er fast hinunter. Die Spelunke war noch halb leer. Ihm war es recht. Dann war die Gefahr einer Störung geringer. Er suchte sich in Türnähe einen Platz an der Theke, bestellte ein Bier, legte seinen Mantel auf einen freien Barhocker, nahm das Tütchen aus der Manteltasche und ging, ohne auf sein Getränk zu warten, zur Toilette.
Unmittelbar nachdem Schwiebus im Toilettenbereich verschwunden war, betraten Enno Altehuus, Günter Müller und Dieter Buhlen das Lokal.
»Moin«, murmelte Altehuus und nickte der Thekencrew zu, während er mit den beiden Kripobeamten im Gefolge das hintere Ende des Lokals ansteuerte.
»Moin, Enno«, antwortete ein schlanker, hoch gewachsener Mann in einem weißen Hemd, auf dem am Kragen unübersehbar der Name der Kneipe und einer bekannten Biersorte prangte. »Wie immer?«
Altehuus nickte und blickte fragend zu seinen Begleitern, die sich neben ihn platzierten.
»Für mich ein Bier«, antwortete Buhlen.
Müller schloss sich der Bestellung seines Kollegen an und schaute sich um. »Nett hier.«
Der Obermeister brummte Zustimmung und erklärte, mit dem Kopf auf die Bedienung deutend: »Das war übrigens Sven.« Er zauberte seine Schnupftabakflasche aus einer Uniformtasche hervor und bot sie den anderen an, die dankend ablehnten.
Altehuus zuckte mit den Schultern und nahm eine weitere Prise.
Sven baute drei Pils vor ihnen auf. »Prost.«
»Ihr habt ja immer noch kein Jever«, maulte der Inselpolizist.
Die beiden anderen Kollegen sahen ihn erstaunt an.
»Da haben wir in Ostfriesland so ein leckeres Bier und was gibt es hier auf der Insel? Warsteiner, Dortmunder und so was.
Selten Jever.« Der Uniformierte schüttelte den Kopf. »Eine Konzession an die Touristen. Wenn ich im Winter ein vernünftiges Bier will, muss ich ins Loog. Oder in den Gastrobereich des Erlebnisbades. Wird Zeit, dass es Sommer wird. Dann bekommt ihr wieder Konkurrenz«, rief er halblaut.
»Von Kneipen mit richtigem Bier.«
Sven grinste. Solche gespielten Ausbrüche gehörten seit Jahren zum Ritual.
Altehuus griff zum Glas und hob’ es grüßend in Richtung seiner Kollegen.
Müller trank wie die anderen in großen Schlucken. Nachdem er sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund gewischt hatte, fragte er Altehuus: »Wie lange sind Sie schon bei unserem Verein?«
»Im Januar sind es fünfunddreißig Jahre.«
»Immer hier auf Juist?«
»Fast immer.«
»Wird
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