Zweyer, Jan - Rainer
die Leiche sicher vor Weihnachten aus dem Keller haben«, bemerkte Altehuus trocken.
Für einen Moment war Günter Müller irritiert, dann schmunzelte er. »Mag sein.« Er wurde wieder ernst. »Der Todeszeitpunkt wird auf den Abend des 20. Dezember geschätzt. Plus, minus sechs Stunden. Sonst haben sie leider nichts Besonderes gefunden, wenn man…«
»… von dem Schnitt durch die Kehle absieht«, ergänzte Buhlen.
»Genau. Und von der Tatsache, dass die Frau etwa im dritten Monat schwanger war.«
»Scheiße.«
»Die schlechte Nachricht: Es gibt keine fremden Gewebespuren. Auch keine Faserreste oder so etwas. Ein Kampf hat anscheinend nicht stattgefunden. Sie hat sich wohl nicht wehren können. Die Spurensicherung vermutet, dass der Täter ihr von hinten und mit großer Kraft die Kehle zügig durchschnitten hat.«
»Tut man so etwas im Affekt oder war es ein kaltblütiger Mord?« Buhlen kaute auf einem Bleistift herum.
»Schwer zu sagen. Die Kollegen vom Erkennungsdienst hoffen, am Fundort der Toten noch Anhaltspunkte zu entdecken. Deswegen schicken sie uns weitere Beamte zur Verstärkung. Es kommt auch ein Experte für das Anfertigen von Phantombildern. Wenn wir ein Bild unseres Freundes haben, der aus der Kneipe getürmt ist, sehen wir weiter.«
»Dann werdet ihr ja über die Feiertage keine Langeweile haben.« Buhlen drehte sich ab. »Sonst noch was? Ich würde gerne ins Hotel, um…«
»Sie schicken uns Verstärkung. Genau.« Sein Kollege betonte seltsam akzentuiert das Wort ›uns‹.
Etwas zu akzentuiert, fand Buhlen. »Wie meinst du das?«
»Das ist die nächste schlechte Nachricht. Dein Urlaub wurde gestrichen. Packeis hin oder her, du bleibst auf der Insel.«
Der Unterkiefer Dieter Buhlens klappte herunter. Mit offen stehendem Mund und aufgerissenen Augen machte er nicht unbedingt den Eindruck eines intelligenten und hochmotivierten Polizisten. »Was?… Äh?… Nee, nicht?«
Müller klopfte ihm beschwichtigend auf die Schlüter.
»Mach dir nichts draus. Deine Bärbel wird sich auch ohne dich nicht langweilen.«
»Das ist genau das, was ich befürchte«, stöhnte Buhlen.
»Mist! Warum bin ich nur Bulle geworden und habe nicht etwas Ordentliches gelernt?« Er ließ sich auf einen der Bürostühle fallen. »Haben Sie einen Schnaps?«, fragte er Altehuus.
»Immer.« Der Obermeister beugte sich nach unten, öffnete die rechte Tür seines Schreibtisches und schnaufte: »Zwei oder drei Gläser?«
»Drei«, antwortete Müller.
Altehuus tauchte wieder auf, eine Flasche Friesengeist in der linken und drei Pinnchen in der rechten Hand, die er auf die Schreibtischplatte stellte. Er goss die Gläser randvoll und riss ein Streichholz an, mit dem er den Schnaps entzündete. Dann schob er die Gläser mit dem brennenden Schnaps vorsichtig zu den anderen beiden Polizisten hin. »Prost.«
Günter Müller schüttelte sich. »Der reinste Schlüpferstürmer.
Aber lecker.«
Altehuus winkte mit der Pulle. »Noch einen?«
»Nee, danke. Wir müssen noch arbeiten.«
Dreißig Minuten später begannen sie mit dem Klinkenputzen.
Altehuus hatte die beiden Hamburger mit Straßenplänen der Insel versorgt und sie hatten Juist unter sich aufgeteilt: Buhlen sollte die Anwohner und Feriengäste im Loogbad nach der Toten befragen, Müller sein Glück im Westbad versuchen und Altehuus bearbeitete das Ostbad der Insel. Die ganz abseits liegenden Höfe und Pensionen wollte der Juister später mit seinem Dienstwagen abfahren. Irgendwo musste sich das Opfer ja schließlich aufgehalten haben. Für sechs Uhr am frühen Abend hatten sich die Beamten wieder in der kleinen Dienststelle verabredet.
Als Dieter Buhlen in der Wache eintraf, drückte sich sein Kollege fröstelnd an den Heizkörper und sah ihn erwartungsvoll an. »Na?«
»Was, na?«
»Weitergekommen?«
Buhlen hängte seinen Mantel an die Garderobe, griff nach einem Stuhl und schob ihn neben Müllers an die Heizung.
»Kein Stück. So wie es aussieht, sind die Hälfte der Gebäude auf dieser Insel Ferienhäuser. Deren Eigentümer ziehen es anscheinend vor, die Feiertage nicht hier zu verbringen. Oder sie kommen erst morgen. In den Pensionen, die geöffnet haben, hat sich die Tote nicht einquartiert. Und von den Einheimischen scheint der größte Teil in Urlaub zu sein. Die wenigen Bewohner, die ich angetroffen habe, kannten die Tote jedenfalls nicht. Und? Hattest du Glück?«
Buhlen schüttelte nur den Kopf.
»Mist. Hoffentlich hat Altehuus mehr
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