Zweyer, Jan - Rainer
eigentlich?«
»Halb drei« griente Altehuus seine Kollegen an.
»Und wie spät ist es jetzt?« Der Kommissar griff zum Mineralwasser.
»Elf.«
»O Gott!«
Altehuus setzte sich zu den Opfern des vorabendlichen Alkoholexzesses des Vorabends und griff zur Kaffeekanne.
»Darf ich?« Er wertete das Schweigen seiner Kollegen als Zustimmung und goss sich eine Tasse ein. »Ich habe heute Morgen einen Anruf aus Aurich erhalten. Die Leiche konnte identifiziert werden.«
Wenn (die beiden anderen überrascht waren, konnten sie das gut verbergen. Der Insulaner vermutete allerdings, dass die geistige Aufnahmefähigkeit der Hamburger noch etwas eingeschränkt war und es daher etwas länger dauern würde, bis sie das Gehörte verarbeitet hatten.
Wie zur Bestätigung seiner Theorie antwortete Buhlen nach fünfzehn Sekunden mit einem erstaunten »Oh«, während Müller nur den Mund aufsperrte und einen Zischlaut von sich gab.
Altehuus wich vor der herüberwehenden Alkoholfahne unwillkürlich etwas zurück.
»Ein gewisser Hans Wübber, Teehändler aus Bremen, hat das Bild in der Zeitung gesehen. Er hat seine Tochter sofort erkannt und war bereits in der Gerichtsmedizin, um sie zu identifizieren. Die junge Frau hieß Marlies, war neunzehn Jahre alt und sollte sich eigentlich in ihrem Internat in der Schweiz aufhalten.«
»Und was macht Marlies Wübber dann auf Juist? Das Bergklima wäre für sie vermutlich gesünder gewesen.«
Buhlens Lebensgeister kehrten zurück.
»Keine Ahnung. Die Familie hat hier ein Ferienhaus. Im Loog.«
»Das sollten wir uns ansehen.« Müller erhob sich etwas zu schnell, schwankte und sicherte sich mit der Rechten an der Tischkante. Dann setzte er sich wieder. »Vielleicht sollten wir doch noch etwas warten. Zumindest so lange, bis die Doppeldröhnung Aspirin wirkt«, fügte er hinzu.
»Wübber ist auf dem Weg hierher. Sein Flieger müsste in einigen Minuten landen.«
»Kein Nebel mehr?«
»Hat sich verzogen. Wir haben strahlenden Sonnenschein.
Auch auf dem Festland. Sehr kalt, aber blauer Himmel. Ich wollte den Mann am Flugplatz abholen. Möchten Sie mich begleiten oder in der Wache auf uns warten?«
Vorsichtshalber fragte Müller: »In Ihrem Dienstwagen?«
»Natürlich.«
»Dann kommen wir mit. Ist doch selbstverständlich.«
Buhlens aufkeimenden Widerspruch wischte er mit einer Handbewegung beiseite.
Diesmal klappte das Aufstehen.
Auf der Fahrt zum Flugplatz erkundigte sich Altehuus nach den Plänen seiner Begleiter für den Heiligabend. Die Antwort war schnell gegeben: Sie hatten keine. Der Obermeister regte daraufhin an, dass sie ihn und seinen Sohn zum Weihnachtsdinner in das Kurhaus begleiten sollten, da ansonsten alle Lokale mit Ausnahme der Hotelrestaurants geschlossen hätten. Es bestünde dort zwar Reservierungszwang, aber da er den Hoteldirektor persönlich kennt, sei das nicht mehr als eine Formsache. Allerdings dürfte der Abend den finanziellen Rahmen ihres Spesenkontos deutlich übersteigen und eine dienstliche Veranlassung käme ja wohl nicht in Betracht. Nach einem kurzen Disput entschieden sich die beiden Hamburger für das Galaessen und gegen Sparsamkeit.
Hans Wübber war eine gepflegte Erscheinung von etwa fünfzig Jahren, nicht größer als 1,70 Meter. Er schleppte eindeutig zu viel Körperfett mit sich herum, anscheinend angefuttert bei häufigen Geschäftsessen und Empfängen. Der Teehändler war mit einem dunkelbraunen Anzug, einem Kamelhaarmantel und einem farblich passenden Hut bekleidet.
An seiner Schulter hing ein praller Kleidersack aus Wildleder, für dessen Kaufpreis ein Kriminalkommissar sehr viele bezahlte Überstunden machen musste. Der Bremer näherte sich den Beamten mit energischen, schnellen Schritten.
Mit in Stein gemeißelter Miene nahm Wübber die Beileidsbekundungen entgegen und fragte dann mit befehlsgewohnter Stimme: »Haben Sie schon eine Spur?«
Kommissar Müller informierte den Vater der Toten kurz über die bisherigen Ermittlungsergebnisse und den Unbekannten, der sich der Befragung durch Flucht entzogen hatte und ihr Hauptverdächtigter sei.
»Und der Kerl kann nicht von der Insel entkommen sein?«, wollte Wübber wissen.
»Nein. Er ist noch hier«, erwiderte Müller. »Wir überwachen die Fähre, auslaufende Kutter und den Flugplatz.«
»Gut. Das ist gut.« Der Bremer Geschäftsmann schien befriedigt.
Auf dem Weg zum Haus der Familie erkundigte sich Buhlen danach, ob Wübber eine Erklärung dafür habe, warum seine
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