Zweyer, Jan - Rainer
haben.«
»Und wenn er schon seit vorgestern tot ist? Was dann, du verhinderter Kriminalist?«
»So sah er aber nicht aus.«
»Wie willst du das beurteilen?«
»Stimmt. Mist.«
»Du solltest der Kripo reinen Wein einschenken.«
»Ich hab’s. Ich habe Schwiebus überreden wollen, sich zu stellen. Stellen macht sich immer gut. Deshalb habe ich im Interesse meines Mandanten die Polizei hingehalten. Nachdem ich ihn telefonisch nicht erreicht habe, habe ich persönlich die Straße abgesucht. Und da…«
Elke unterbrach seinen Redeschwall. »Schade, dass wir Schwiebus nicht mehr fragen können, wie er diese Angelegenheit rückblickend beurteilen würde.«
»Wie soll ich das denn nun verstehen?«
»Er würde ja noch leben, wenn er verhaftet worden wäre, bevor er Besuch von seinem Mörder bekommen hat.«
Der Anwalt erstarrte. »Quatsch.« Nach einem Moment winkte er verunsichert ab. »Ich lasse mir von dir doch keine Mitschuld am Tod von Schwiebus einreden.« Seine Stimme klang energisch. Sein betroffener Gesichtsausdruck ließ jedoch auf einen anderen Gemütszustand schließen.
»Möglicherweise wäre er noch am Leben, habe ich gemeint.
Und natürlich bist du nicht schuld an seinem Tod«, schränkte Elke das eben Gesagte etwas ein. »Trotzdem: Sag der Kripo, wie es wirklich war.«
Rainer antwortete nicht. Er griff nach der Weinflasche und goss sich sein Glas voll. Dann trank er es in zwei, drei Zügen aus. »Scheiße«, stieß er hervor. »Verdammte Scheiße.« Damit bezog er sich nicht auf sein bevorstehendes Geständnis.
21
Eine halbe Stunde später stand Rainer vor der Polizeiwache und schellte POM Altehuus aus dem Feierabend. Der hörte sich Rainers Beichte ruhig an, telefonierte seine beiden Kripokollegen herbei und verständigte die Spurensicherung.
»Warum haben Sie uns nicht sofort benachrichtigt?«
Kommissar Buhlen konnte seine Erregung nur schwer kontrollieren.
»Ich hatte mein Handy vergessen«, log Rainer.
»Haben Sie in der Wohnung etwas angefasst?«
»Nein… Das heißt: ja.«
»Was denn nun?«
»Die Türgriffe. Den Toten und den Sessel, glaube ich.«
»Glauben Sie, glauben Sie! Sonst nichts?«
Rainer schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht mehr genau.«
»Wir werden das feststellen.« Buhlen wandte sich an Altehuus: »Wann landet der Hubschrauber?«
»Der kommt von Helgoland rüber, dann nach Aurich, dann nach Juist…«
»Wieso Helgoland?«, unterbrach der Hamburger.
»Der Nebel«, erklärte Altehuus. »Unser Hubschrauber hat keine Blindflugeinrichtung. Die Helgoländer leisten sozusagen Amtshilfe. Und das wird dauern.« Er sah auf die Uhr.
»Vermutlich noch länger als eine Stunde.«
»Verdammter Schiet!« Wütend sah Buhlen Esch an, als ob der Schwiebus auf dem Gewissen hätte. »Sie bleiben hier in der Wache. Wir sprechen uns noch!« Und zu Altehuus gewandt sagte er: »Haben Sie die Möglichkeit, dem da Fingerabdrücke abzunehmen?«
Der Insulaner nickte.
»Machen Sie das bitte. Ich unterstütze jetzt Günter am Tatort.«
Interessiert sah Rainer zu, wie der Polizeiobermeister aus dem Schrank eine Art Stempelkissen und mehrere kleine weiße Pappkarten hervorholte, um Rainers Hand bat, erst den Daumen auf dem Farbkissen drehte und ihn dann in einem markierten Feld auf einer der Karteikarten sorgfältig ausrollte.
Die anderen Finger seiner Rechten folgten, dann die der Linken. Nach wenigen Minuten schmückten Rainers Fingerabdrücke zwei weiße Karten.
Der Anwalt musterte seine schwarzen Fingerkuppen. »Wie kriege ich das Zeug wieder runter?«
»Kräftig schrubben. Nach einigen Tagen sehen Sie nichts mehr davon«, antwortete Altehuus ungerührt. »Zwei Tote in einer Woche«, brummte er kopfschüttelnd und widmete sich ausgiebig dem Studium eines Aktenordners.
Rainer rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Elke hatte ihn mit ihrer Bemerkung, dass Schwiebus noch leben könnte, wenn er früher zur Polizei gegangen wäre, schwer getroffen.
Er zermarterte sich den Kopf, wer ein Motiv für den Mord haben könnte. Wübber? Um seine Tochter zu rächen? Steiner hatte sie schließlich gewarnt, den Teehändler nicht zu unterschätzen. Aber war der Mann zu einem Mord fähig? Oder die Umweltschützer? Er hatte ja schon von militanten Organisationen gehört, aber Mord? Dann hätten sie ja genauso ihn…
Diesen Gedanken wollte er nun doch nicht weiterverfolgen.
Und wenn es gar kein Mord war? Vielleicht hatte sich Schwiebus selbst umgebracht und er hatte nur die Waffe
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