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Zweyer, Jan - Rainer Esch 01

Zweyer, Jan - Rainer Esch 01

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Esch 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glück ab Glück auf
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Radeberger?« wollte der Kellner zu Rainers Überraschung in verständlichem Deutsch wissen.
    »Radeberger.« Warum nicht, dachte er, Jugend forscht.
    »Kommt gleich.«
    Als der Kellner das Bier servierte, fragte ihn Esch, ob er ihm sagen könne, wo der Lausitzer Platz 7 sei.
    »‘türlich.«
    »Und wo ist der?«
    »Ganz in der Nähe. Wenn Sie da vorne rechts gehen«, der Kellner zeigte auf die Hausecke drei Meter weiter, »dann sehen Sie hinten ein gelbes Hochhaus. Da ist es.«
    »Danke für die Auskunft.«
    »Schon gut.«
    Das Radeberger war irgendwie nicht sein Ding, dennoch trank Rainer es mit ein paar kräftigen Zügen aus. Sein Durst war stärker als sein Lokalpatriotismus. Er zahlte, hinterließ ein der Auskunft angemessenes Trinkgeld und schlenderte zufrieden mit sich und der restlichen Lausitz um die Ecke; in die Richtung, die ihm der Kellner gewiesen hatte.
    Vor ihm ragten zehn Stockwerke in Beton gegossene Abscheulichkeit in den Himmel Wojerecys. Vier Stufen und eine schmale Rampe, die wahrscheinlich zum Transport von Fahrrädern dienen sollte, überbrückten den Höhenunterschied zwischen Pflaster und Eingangstür. Rechts neben der Tür waren die Klingelknöpfe. Rainer begann, systematisch die Reihen der Namensschilder abzusuchen, und hörte bei 50 auf, die Namen zu zählen. In der vierten Reihe, siebtes Schild von oben wurde er fündig. In sauberen, kleinen Druckbuchstaben stand da Finke. Einfach nur Finke.
     
    Rainer drückte auf den Klingelknopf. Es passierte nichts. Er wartete einen Moment und klingelte erneut. Diesmal ließ er seinen Finger unanständig lange auf dem Knopf liegen.
    »Ja, bitte«, krächzte eine männliche Stimme aus einem Lautsprecher.
    »Guten Tag, mein Name ist Rainer Esch. Wir kennen uns nicht. Würden Sie mich trotzdem hereinlassen?«
    Möglicherweise wäre es ein Fehler, sofort mit der Tür ins Haus zu fallen.
    »Warum?«
    Esch dachte fieberhaft nach. »Weil, ich hätte da was mit Ihnen zu besprechen. Was Wichtiges.« Er hoffte, daß sein Gesprächspartner neugierig werden würde.
    »Was denn Wichtiges?«
    »Das würde ich Ihnen gerne persönlich sagen.«
    »Ich hab jetzt keine Zeit mehr für solchen Quatsch.
    Wiedersehen.«
    »Halt, bitte warten Sie.« Esch schrie fast in die Gegensprechanlage. »Also gut. Es geht um Take off.«
    Die Gegensprechanlage schwieg.
    »Hallo, sind Sie noch da?«
    Kein Krächzen.
    »Hallo, ich kann Sie nicht hören.«
    »Nu. Zehnter Stock. Dann links. Wohnung 1004.« Der Türöffner summte.
    Als der Aufzug mit einem martialischen Krachen das Erdgeschoß erreichte, beruhigte sich Esch beim Betreten der Kabine mit dem Gedanken, daß solche Transportmittel nur in Actionfilmen mit Bruce Willis oder ähnlich großartigen Mimen abstürzen und ihre nichtsahnenden Insassen, mit Ausnahme des Hauptdarstellers, plötzlich in die Tiefe reißen.
    Anscheinend als Folge der Mangelwirtschaft in der früheren DDR, konnte der Aufzug, den Haltknöpfen nach zu urteilen, nur auf der vierten, siebten und zehnten Etage gestoppt werden. Hellere Stellen auf der Holzverkleidung des Kabineninnenraumes und leere Schraublöcher legten die Vermutung nahe, daß hier einmal Fabrikationsschilder oder andere Hinweistafeln angebracht gewesen waren, die allerdings mittlerweile, von wem und aus welchem Grund auch immer, abgeschraubt waren. Esch vermutete, daß sich hier jugendlicher Vandalismus angesichts der Trostlosigkeit der Umgebung ein Ventil geschaffen hatte.
    Er drückte auf die Zehn und wartete darauf, daß sich der Aufzug in Bewegung setzte. Nichts passierte. Er drückte erneut auf den Knopf, und plötzlich fiel die Aufzugstür zu, und die Kabine setzte sich mit einem heftigen Ruck in Bewegung.
    Erstaunlicherweise funktionierte die Beleuchtung der Halteknöpfe, so daß Esch erkennen konnte, daß er gleich die zehnte Etage erreichen würde. Die Zehn leuchtete auf, und der Aufzug hielt an, um unmittelbar darauf mit einem Knall etwa einen halben Meter durchzusacken, bevor sich die Tür öffnete.
    Esch schwor sich, das Haus über die Treppe zu verlassen. Man sollte sein Glück nicht herausfordern.
    Es roch etwas seltsam in dem Flur. Außerdem war es stickig warm. Die Tapeten an den Wänden waren teilweise abgerissen, roher Putz kam an diesen Stellen zum Vorschein. Der Boden war mit einer Art Linoleum belegt, Dekor und Ausführung original fünfziger Jahre West. In einer Ecke lag eine Plastiktüte auf dem Boden, aus der Abfall herausquoll. Daneben stand eine leere Weinflasche. Esch

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