Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
um die Bauchregion etwas zu engen Anzug. Der Zerberus sah nicht gerade so aus, als ob er ständig in solchen Klamotten herumlief.
»Bitte die Einladung«, brummte er.
Kaya zog seine Karte aus der Tasche und hielt sie dem Türsteher unter die Nase.
»Danke.«
Der Türke betrat das untere Foyer des KuZ. An der Rückwand der Halle befanden sich die Garderoben, links vom Eingang führten Treppen in die oberen Räumlichkeiten. Dort waren Tische im Halbkreis aufgestellt, an denen hübsche junge Frauen Kaffee, Sekt und Säfte servierten. Kaya ließ sich einen Kaffee geben, plazierte sich an einem der Stehtische etwas abseits und beobachtete die anderen Gäste.
Der Großteil von ihnen wäre auch in einem
Feinschmeckerrestaurant am zweiten Weihnachtstag nicht underdressed gewesen. Nur wenige trugen Alltagskleidung, Männer ohne Schlips und Sakko sah Cengiz keine. Die weiblichen Besucher waren noch mehr gestylt, fast alle sahen so aus, als ob sie am Vortag ihren Frisör bemüht hätten.
Das Alter der Teilnehmer lag wohl zwischen Mitte Zwanzig und Ende Sechzig. Wie Betrüger sahen sie eigentlich nicht aus.
Diesen Gedanken korrigierte Kaya sofort. Betrüger, dachte er, dürfen, um ihren Job effektiv erledigen zu können, eben nicht so aussehen, wie sich brave Bürger vorstellen, daß sie aussehen. Außerdem war den meisten Anwesenden vermutlich nicht einmal klar, daß es sich bei Take off um eine kriminelle Organisation handelte.
Drei melodische Gongschläge gaben ein Zeichen. Die Türen zum Festsaal wurden von jungen Damen in phantasievollen Kostümen geöffnet. Leise Musik wehte der Gesellschaft entgegen. Cengiz betrat mit den anderen den weitgehend verdunkelten Saal. Er identifizierte den Song als Marilyn Monroes ›Diamonds are the girls best friend‹ und suchte sich einen freien Platz im hinteren Bereich.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sich der Raum gefüllt hatte und die Türen geschlossen wurden. Das Licht verlosch. Nach einigen Sekunden blendete ein greller Blitz die überraschten Gäste. In ohrenbetäubender Lautstärke hämmerte die Ouvertüre zu Wagners ›Ritt der Walküre‹ auf sie ein. Auf einer überdimensionalen Leinwand erschien ein Flugzeug, Kaya erkannte es als Boeing 747, das über Wolkenberge zur Wagnerschen Musik schwebte. Auf dem Bug der Maschine prangte gut lesbar der Schriftzug Take Off. Die Musik wurde leiser. Eine sonore Männerstimme schallte durch den Raum und übertönte die Musik im Hintergrund.
»Take off. Innovative Investments für intelligente Investoren.
Wir fördern die Zukunft. Wir sichern die Zukunft. Wir sind die Zukunft.«
Beifall setzte ein.
Die Stimme wurde lauter: »Take off. Innovative Investments für intelligente Investoren. Wir fördern Eliten. Wir sichern Eliten. Wir sind die Elite.«
Der Beifall steigerte sich. Der Flieger drehte auf der Leinwand weiter seine Kreise.
Die Lautstärke der Stimme erreichte fast die Schmerzgrenze:
»Take off. Innovative Investments für intelligente Investoren.
Wir fördern Reichtum. Wir sichern Reichtum. Wir werden reich.« Die letzten drei Worten schrie die Stimme.
Der Beifallssturm erreichte Orkanstärke.
Plötzlich erlosch die Musik. Die Leinwand wurde dunkel. Ein Lichtkegel erhellte das Stehpult, hinter dem sich ein Mann im dunklen Anzug mit roter Krawatte postiert hatte. Erneut brauste tosender Beifall auf. Der Mann hob beide Arme. So stand er wortlos ein, zwei Minuten und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Es schien Kaya, als ob er die Bewunderung der anderen für diesen Mann fast körperlich spüren könnte. Auch er selbst tat sich schwer, sich dieser geschickt inszenierten Suggestion zu entziehen. Der Mann hinter dem Pult senkte die Arme, nickte dankend mit dem Kopf und gab durch seine Gestik zu verstehen, daß nun genug applaudiert worden sei. Langsam verebbte der Beifall.
Schließlich hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
»Take off.« Das war dieselbe sonore Stimme wie gerade, erkannte Cengiz. »Take off. Innovative Investments für intelligente Investoren. Wir sind die Zukunft. Wir sind die Elite. Wir werden reich. Wir sind Take off.«
Der Applaus brandete ein weiteres Mal auf. Wieder die abwehrende Gestik.
»Meine Damen und Herren, verehrte Anteilseigner, herzlich willkommen zur Anteilseignerversammlung von Take off.«
Beifall.
»Denjenigen unter Ihnen, die mich noch nicht persönlich kennen, möchte ich mich zunächst vorstellen. Mein Name ist Dieter Fasenbusch, Vorsitzender
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