Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
meine Knete schufte ich mich täglich unter Tage ab. Und da kommst du und erwartest von mir, dass ich dein Abenteuer finanziere, das eh nur in die Hose gehen kann.«
»Ich will’s ja nicht geschenkt. Nur geliehen.«
»Ha! Hast du das gehört, Stefanie? Geliehen! Er will sich Geld leihen. Der Mensch gibt noch nicht einmal gepumpte Bücher ohne fünfmalige Aufforderung zurück und dann sollen wir ihm Geld leihen.«
»Nicht wir«, wehrte Stefanie ab, »du.«
»Noch schlimmer. Also, Rainer…«
»Jetzt weiß ich wieder, für wen ich das Buch über irgendwas des Alltagslebens aus der Universitätsbibliothek ausgeliehen habe«, blockte Esch den Einwand ab. »Für dich, Cengiz. Ich weiß zwar nicht, was ein türkischer Bergmann mit so ‘ner hochgeistigen Literatur will, aber du hältst mir hier Vorträge über Leihen und Zurückgeben und ich muss mich mit bösen Briefen der Bibliothek auseinander setzen.«
»Das ist doch was anderes.«
»Finde ich nicht. Also, was ist? Leihst du mir die Knete? Ich zahl sie dir von der Belohnung zurück.«
»Welcher Belohnung?«, fragte Stefanie.
»Die Staatsanwaltschaft hat fünftausend Mark Belohnung ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.
Stand heute in der Zeitung. Mit meinen Angaben und den Phantombildern bin ich doch Kandidat Nummer eins dafür.
Komm, sei ein Freund, Cengiz.«
»Ein Freund wär ich, wenn ich nein sagen würde.«
»Also, sagst du ja?«
»Ja. Und wie viel?«
»Zweitausend?«
Kaya schnappte nach Luft. »Ich bin verrückt. Ich muss verrückt sein. Du hast doch hoffentlich ‘ne Lebensversicherung?«
»Nee, wieso?«
»Ich Idiot hätte wirklich ‘nen Veterano mitbringen sollen.
Jetzt könnte ich einen gebrauchen.«
Esch schlug Kaya freundschaftlich auf die Schulter. »Sag ich doch, Cengiz. Sag ich doch.«
20
Das penetrante Schrillen seines Mobiltelefons riss ihn aus dem Schlaf. Rüdiger Brischinsky war nach einem opulenten Abendessen zu Lasten seines Spesenkontos bei einem Nobelitaliener in Berlin-Charlottenburg sehr spät in sein Hotel in der Kantstraße zurückgekehrt. Danach hatte er sich in der Hotelbar noch zwei Grappa genehmigt und war dann auf sein Zimmer gegangen. Jetzt versuchte jemand, ihn mit Gewalt in die Wirklichkeit zurückzuholen.
»Brischinsky«, brummte er in das Mikrophon.
»Baumann hier. Morgen, Chef.«
»Baumann.« Das war keine Feststellung, sondern ein Vorwurf. »Wie spät ist es?«
»Gegen sieben Uhr morgens, Chef. Ich dachte…«
»Ich denke, du nicht. Ich hoffe, du hast einen verdammt wichtigen Grund, mich mitten in der Nacht zu wecken.
Ansonsten trägst du ab dem nächsten Ersten wieder Uniform und hilfst alten Omas über die Straße.«
»Hab ich Chef, hab ich. Rainer Esch war gestern bei mir.«
»Und?« Brischinskys Interesse war geweckt.
»Du erinnerst dich, dass Esch in Urlaub fahren wollte?«
»Vage.«
»Er wollte. Und hat das auch getan. Aber kurz vorher wurde bei ihm eingebrochen.«
»Na und? Kommt hin und wieder vor. Einbruchsdelikte sind bei uns im Ruhrgebiet in letzter Zeit…«
»Warte mal, Rüdiger. Ich bin gleich so weit. Also, gestohlen wurde das Übliche. Kamera und so. Aber jetzt kommt’s. Auf Mykonos, da war Esch nämlich in Urlaub, wurde er von zwei Männern angesprochen, die ihm andeuteten, dass sie nicht nur den Einbruch begangen, sondern auch Grohlers umgebracht haben. Anscheinend wollten die Kerle, dass Esch ihnen etwas zurückgibt, was sie bei ihm vermuten. Rainer Esch schwört Stein und Bein, dass er nicht die geringste Ahnung hat, was die beiden von ihm wollen. Er sagt, die hätten ihm gedroht.«
Brischinsky saß aufrecht im Bett. »Was?«
»Kommt noch besser. Wir haben gestern Morgen nach Eschs Angaben Phantombilder erstellt. Seine Aussage kann von Leuten bestätigt werden, die er da unten kennen gelernt hat.
Die landen aber heute erst gegen zwölf in Düsseldorf. Ich fahre zum Flughafen und red mit denen.«
»Und? Was meinst du? Stimmt die Geschichte?«
»Ich meine schon. Sicher kann man natürlich nie sein.«
»Wenn Esch wirklich keine Ahnung hat, was die Kerle von ihm haben wollen, und wir nichts bei Grohlers gefunden haben, bedeutet das, dass der Tote das Gesuchte entweder weggeworfen, versteckt oder jemand Drittem gegeben haben muss, oder?«, fragte Brischinsky eher sich selbst als Baumann.
»Genau. Letzeres würde ich sagen. Warum soll er etwas wegwerfen, das er dem BKA geben will.«
»Stimmt. Wenn die Gangster wirklich das suchen, was wir
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