Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
erklären…«
»Du musst mir morgen was erklären. Und zwar die Tatsache, warum du heute nicht hier warst. Kalle musste zwei Schichten fahren, weil ich so schnell keinen Ersatz bekommen habe.
Morgen um acht, du Penner!«
»Hans, so kannst du nicht…«
»Was ich kann oder nicht kann, ist meine Sache, verstehst du.
Du Arsch bist morgen hier, sonst hast du ein Problem…«
Jetzt war es an Esch, wütend zu werden. »Weißt du was, Krawiecke?«, sagte er kalt. »Jetzt kannst du mich mal… und zwar kreuzweise.« Und damit war ihr Gespräch beendet.
33
Es war fast dunkel, als Rainer Esch nach einigem Suchen die Saganer Straße erreichte. Im Norden der Straße lag der Rangierbahnhof Rummelsburg; westlich befand sich das Kraftwerk Klingenberg, das älteste Kraftwerk Berlins. Die Köpenicker Chaussee und die Spree im Westen trennten das Industriegebiet vom Vergnügungspark in Treptow.
Esch ging auf der Suche nach dem Lager – vermutlich der Firma EXIMCO – langsam die Straße entlang in nördlicher Richtung. Kleinere Industriebrachen, halb verfallene Gebäude und leer stehende Baracken prägten das Bild der anliegenden Grundstücke. Nur vereinzelt sah er Licht in den Gebäuden. Die vorhandene Straßenbeleuchtung spärlich zu nennen, wäre geschmeichelt. Zwar standen die Laternenmasten im Abstand von hundert Metern, da aber nur jede dritte Lampe brannte, hätte die Szenerie als Kulisse jedes düsteren Kriminalfilms dienen können. Hier, dachte Esch, wollte er lieber nicht tot überm Zaun hängen. Von dem EXIMCO-Lager fand er jedoch noch keine Spur.
Plötzlich hörte er Motorengeräusche, wenig später konnte er den Lichtschein eines Fahrzeuges entdecken, das in etwa zweihundert Meter Entfernung vor ihm um eine Kurve kam und direkt auf ihn zufuhr. Esch drückte sich in eine Mauernische, die ihm nur unvollkommen Deckung bog. Als der Wagen in eine Einfahrt bog, streifte ihn kurz das Scheinwerferlicht. Esch quetschte sich enger an die Mauer.
Einen Moment später war das Licht nicht mehr zu sehen. Dann erstarb das Motorengeräusch. Er hörte das Schlagen von Wagentüren und die Geräusche mehrerer Stimmen. Mit einem scheppernden Knall schloss sich anscheinend eine Tür. Dann war es wieder ruhig.
Esch zündete sich eine Reval an, die er mit tiefen Zügen rauchte. Dann ging er weiter in Richtung der Einfahrt, in die der Wagen verschwunden war. Dort sah er sich um. Das Einfahrttor war nicht ganz geschlossen, sondern nur angelehnt.
An der oberen rechten Ecke des Tores war ein Holzschild angebracht, dessen Aufschrift Rainer im schummerigen Licht der Straßenbeleuchtung nicht entziffern konnte. Er trat näher an das Schild heran und zündete sein Feuerzeug an. Dabei bemühte er sich, den Lichtschein mit der Hand nur in Richtung der Aufschrift zu lenken. EXIMCO stand da, VEB. Esch lachte leise. Die abblätternde Farbe des Schildes dokumentierte überdeutlich den Zustand des ehemals volkseigenen Betriebes.
Vorsichtig drückte er sich gegen das Tor, das mit einem leichten Quietschen nachgab. Als der Spalt groß genug war, steckte Esch den Kopf durch die Öffnung und versuchte vergeblich, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Kurz entschlossen machte er das Tor so weit auf, dass er das dahinter liegende Grundstück betreten konnte. Er schlüpfte durch den Zugang und lehnte den Torflügel wieder an.
Bewegungslos blieb er stehen, bis sich seine Augen etwas besser an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er musste erneut grinsen. Seine kriminelle Karriere machte große Fortschritte.
Erst Dieb, dann Einbrecher, und alles an nur einem Tag.
Wirklich nicht schlecht.
Langsam ging er weiter, bemüht, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Nach einigen Minuten fand er sich in der Dunkelheit besser zurecht. So weit er erkennen konnte, stand vor ihm ein Wagen. Rechts lag allerlei Gerümpel auf einer Art Lagerplatz. Anhand der schemenhaften Umrisse, die er weiter vorne auf dem Gelände ausmachen konnte, schien sich dort ein Gebäude zu befinden. Esch beschloss nachzusehen. Die Insassen des Fahrzeuges mussten ja schließlich irgendwo geblieben sein. Als er den Wagen erreichte, erkannte er, dass es sich um einen dunklen Mercedes SLK handelte. Prüfend legte er seine Hand auf die Motorhaube. Sie war noch warm. Das musste der Wagen sein, den er eben gesehen hatte.
Angestrengt blickte Esch in die Dunkelheit. Seine Vermutung war richtig gewesen. Etwa fünfzig Meter vor ihm stand ein Gebäude, eine gemauerte Baracke. Behutsam
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