Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
Ordnung.«
»Pfff.« Esch atmete erleichtert aus. »Und ich dachte schon…«
»Du musst ja eine wirklich verkommene Fantasie haben.
Hätte ich gar nicht von dir gedacht. Erzähl doch mal, was hast du dir denn so vorgestellt?«, nahm ihn Cengiz auf den Arm.
»Ach, halt die Klappe.«
»Auch gut. Rainer, bist du eigentlich immer noch Alleininhaber dieser wahnsinnig erfolgreichen Detektei Look und Listen?«
Esch entging die Ironie in der Frage nicht. »Weißt du Arsch doch selbst. Was soll das?«
»Würdest du zwischen den unsagbar wichtigen Fällen, die du zurzeit bearbeitest, noch Zeit für ein weiteres kleines Fällchen erübrigen können?«
»Machst du Witze? Her damit.«
Sein Freund wusste nur zu gut, dass die Detektei, die Rainer gehörte, wirtschaftlich gesehen ein völliger Flop war.
Monatelang hatte er außer einem entflogenen Kanarienvogel, den er für das überwältigende Honorar von fünfzig Mark aus dem Geäst eines nahen Baumes geholt hatte, keinerlei Aufträge gehabt. Dann waren, nach einem ziemlich medienwirksamen Schusswechsel im Recklinghäuser Lörhofcenter, bei dem Esch verwundet worden war, zwar einige Anfragen eingegangen, ein echter Auftrag war jedoch leider nicht darunter gewesen.
Trotzdem brachte Rainer es nicht über sich, die brotlose Kunst eines Privatermittlers aufzugeben und stattdessen sein vor sich hin dümpelndes Jurastudium zu beenden. Beenden war nicht ganz der richtige Ausdruck. Richtig anfangen wäre korrekter. Immerhin hatte ihm sein Engagement im Lörhofcenter damals nicht nur eine Schusswunde, sondern auch noch eine staatliche Belohnung von über hunderttausend Mark eingebracht, da durch seine Mithilfe Verbrechern das Handwerk gelegt wurde, die illegale Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe bei der Währungsunion von Bundesrepublik und DDR eingefahren hatten.
Nachdem seine zahlreichen Gläubiger, darunter auch Cengiz und Rainers Hausbank, befriedigt worden waren, blieb immer noch genug übrig für einen neuen Mazda MX 5 Cabrio, eine preiswerte Neueinrichtung seines Büros und einige, schon lange begehrte Lokomotivmodelle von Märklin. Dann war die Knete, von einem Notgroschen abgesehen, den Esch in Investmentfonds investiert hatte, aufgebraucht und Rainer musste wieder seinem Hauptberuf, dem Taxifahren, nachgehen.
»Gut. Wie du willst«, erwiderte Cengiz.
»Um was geht es denn eigentlich?«, wollte Esch wissen.
»Um Schutzgelderpressung.«
»Was? Hör mal, Cengiz, ich bin doch nicht Rambo.«
»Weiß ich doch.«
»Täusche ich mich oder höre ich da einen spöttischen Unterton heraus?«
»Da musst du dich täuschen. Aber keine Angst, es handelt sich nicht um die italienische, russische oder Was-weiß-ich-Mafia. Es sind Kids, die eine Kioskinhaberin erpressen.«
»Ein Kiosk?«
»Ein Kiosk, ‘ne Bude arme Ecke, wenn dich dat besser gefällt. Genau genommen ein Kiosk in Herne. Bei mich anne Ecke. In der Mont-Cenis-Straße. Ich kenne die Inhaberin.«
»Näher? Ist die hübsch?«
»Sie ist hübsch, ja.«
»Ah ja. Daher weht der Wind. Willst ihr imponieren, oder?«
»Dummes Zeug. Ihr Mann arbeitet auch auf Eiserner Kanzler, ich sehe den häufiger. Und sie hat wirklich Angst.
Obwohl ihr Schaden eher gering ist. So richtig um Knete geht es da nicht. Da eine Cola, dann ‘ne Schachtel Zigaretten und so was. Nichts Großes. Deshalb meine ich auch, du könntest dich drum kümmern. Sie wohnt im Übrigen da, wo du als Kind gespielt hast, wenn du deine Großeltern besucht hast. In der Teutoburgia-Siedlung in der Schreberstraße.«
»Vielen Dank auch. Nichts Großes. Das schmeichelt mir echt, Mann. Ist ja toll. Ich ermittle in einem Fall, wo Kinder von einer Bude Bonbons erpressen. Cengiz, es gibt heute kein Kid mehr, das nicht schon wenigstens eine Bank überfallen hat.«
»Kann sein. Willst du nun den Auftrag, oder nicht? Mir ist das egal.«
Esch seufzte. Erst ein entflogener Kanarienvogel und nun das. Er, der schon in Fällen ermittelt hatte, in denen es um Millionen ging. Selbstkritisch musste er allerdings einräumen, dass es sich erstens nur um einen Fall gehandelt und er sich zweitens das Mandat damals selbst erteilt hatte. Ein Kiosk in der Mont-Cenis-Straße in Herne… Da war kein Auftrag eigentlich besser als dieser Auftrag. Völlig unter seiner Würde.
Deshalb sagte er: »Na gut. Schick sie zu mir ins Büro. Wie heißt sie?«
»Schattler. Karin Schattler. Und wann soll sie kommen?«
»In zwei Stunden. Und vielen Dank.«
3
Um kurz nach
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