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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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jede Menge Geschäftsunterlagen.« Das Pochen in seinem rechten Fuß wurde stärker. Er musterte den Pantoffel. »Und kaum Verletzungsgefahr.«
    »Wirtschaftskriminalität. Das dürfte nicht funktionieren.«
    Baumann setzte den Blinker und überholte eine Reihe Lastkraftwagen.
    »Und warum nicht?«
     
    »Mangelnde Fachkompetenz.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich war doch kürzlich auf dieser Informationsveranstaltung.
    Düsseldorf sucht jede Menge Beamte für diesen Bereich. Aber du musst mindestens einen Doktortitel in Betriebswirtschaft und einen in Informatik haben, um da landen zu können. Das ist… Der Kerl ist ja wohl völlig verrückt geworden.«
    Baumann blickte in den Rückspiegel. An seiner Stoßstange klebte ein BMW der Oberklasse. Der Fahrer schaltete ununterbrochen das Fernlicht an und aus und nervte schließlich auch noch mit einem rhythmischen Hupstakkato.
    »Und das bei hundertvierzig! Verfügt dieser Wagen über eine Signalkelle?«
    »Lass doch den Spinner. Der hat es wahrscheinlich wirklich eilig«, sagte Brischinsky müde, drehte sich aber trotzdem um.
    Genau in diesem Moment machte der BMW-Fahrer dem Hauptkommissar erst den Effenberg, dann zeigte er ihm einen Vogel.
    »Das geht eindeutig zu weit«, murmelte der Hauptkommissar, suchte und fand. Er ließ die Seitenscheibe herunter und platzierte das Blaulicht auf dem Dach des Passats.
    Dann schaltete er das Teil ein.
    »Weißt du eigentlich noch, welches Formular bei Verkehrsdelikten auszufüllen ist?«, fragte er seinen Assistenten und hielt die Polizeikelle aus dem Fenster.
     
    9
    Rainer Esch hatte verschlafen und war erst in letzter Minute vor dem Sozialgericht in Gelsenkirchen angekommen. Da kein Parkplatz frei und der Richter für den pünktlichen Beginn seiner Verhandlungen bekannt war, stellte der Anwalt seinen Mazda auf der erstbesten Freifläche ab. Zugegeben, eine Feuerwehreinfahrt war als Parkplatz nicht gerade erste Wahl, aber mangels anderer Alternativen…
    Mit wehender Anwaltsrobe hatte er den Gerichtssaal erreicht, um festzustellen, dass der Richter an diesem Montagmorgen seinerseits im Stau stand. Da dieser aber sein baldiges Eintreffen telefonisch angekündigt hatte, wagte Rainer es nicht, die Zeit zu nutzen und seine Karre woanders abzustellen.
    Und dann erst das Verfahren! Sein Mandant Heinz Müller hatte gegen einen Bescheid des Rentenversicherungsträgers geklagt, der Müller eine Erwerbsunfähigkeit absprach und folgerichtig die entsprechenden Zahlungen verweigerte. Müller hatte daraufhin Rainer mit der beeindruckenden Schilderung seiner Gebrechen fast zu Tränen gerührt. Allerdings hatte der vom Gericht bestellte Gutachter nicht mit gleicher Anteilnahme reagiert und in einem dem Bericht beigelegten Brief geschrieben, Müller leide an einer aggravatio permagna.
    Von einer solchen Krankheit hatte Rainer noch nie etwas gehört. Mit Hilfe diverser Nachschlagewerke fand er heraus, was der Gutachter zu verstehen geben wollte: Müller war ein Hypochonder, wenn nicht sogar ein Simulant. Aber Rainer war selbstständiger Anwalt und kein Sozialpolitiker. Deshalb hatte er das Verfahren weiter seinen Gang gehen lassen.
     
    Beim Gerichtstermin nun zitierte der Richter die diversen Gutachten und erläuterte als Ergebnis der Beweisaufnahme, dass nach seiner Ansicht der ablehnende Bescheid der Versicherung im Wesentlichen seine Richtigkeit habe. Ehe Rainer ihn bremsen konnte, war Heinz Müller aufgesprungen und hatte empört gefragt, warum bisher die Tatsache ignoriert würde – auch von seinem unfähigen Anwalt – dass er unter einer aggravatio permagna leide.
    Anschließend hatte Müller triumphierend in die Runde geschaut, Rainer einen vernichtenden Blick zugeworfen und sich wieder gesetzt. Damit war die Sache endgültig gelaufen.
    Richter, Beisitzer und gegnerischer Bevollmächtigter bewahrten nur mühsam ihre Fassung.
    Sie verloren mit Pauken und Trompeten und Esch wurde auf dem Flur von seinem Mandanten mit bitteren Vorwürfen und wüsten Beschimpfungen überhäuft.
    Als er später zu seinem Cabrio zurückgekehrt war, war sein Wagen zwar nicht abgeschleppt worden, aber ein freundliches und unmissverständliches Schreiben der Stadtverwaltung hinter seinem Scheibenwischer informierte ihn darüber, dass er mit einer Anzeige rechnen müsse. Und schließlich hatte Esch auf der Rückfahrt nach Herne auch noch einen Unfall verschuldet, der den rechten Scheinwerfer und einen Teil der Stoßstange seines Mazdas ruiniert sowie einen kleinen

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