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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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noch leicht grinsend fragte der Kommissar: »Herr Mühlenkamp, haben Sie eigentlich ein Seil im Haus?«
    Baumanns Gesprächspartner verzog keine Miene. »Warum woll’n Se denn dat wissen?«
     
    »Haben Sie oder haben Sie nicht?«
    »Wat für ‘n Seil?«
    »Eine Wäscheleine zum Beispiel.«
    Mühlenkamp dachte einen Moment nach. »Nee, hab ich nich.«
    »Auch keine Paketkordel oder so etwas?«

»Verschicke keine Pakete«, murmelte Mühlenkamp halblaut und griff zum Bier.
    »Also kein Seil.«
    »Nee. Wat soll eigentlich die ganze Fragerei? Hört sich ja an, als ob Se mich verdächtigen, meinen Bruder um die Ecke gebracht zu haben. Ich denke, dat is noch nich ma klar, ob der nich einfach so hopsgegangen ist.«
    »Das ist richtig. Um das zu klären, bin ich hier.«
    »Un fragen mich nach ‘ne Wäscheleine? Dat könn Se Ihre Oma erzählen.«
    Ein schriller Schrei aus dem Garten ließ Baumann zusammenzucken. Es folgte ein auf-und abschwellendes Heulen. Dann war wieder Ruhe.
    Mühlenkamp sprang auf und lief zur Terrassentür.
    »Verdammte Blagen«, schnaubte er und stürmte nach draußen.
    Baumann folgte ihm.
    »Macht bloß, dat ihr hier verschwindet!«, brüllte der Hausbesitzer. »Oder ich zieh euch die Ohren lang!« Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürzte er sich die Steintreppe hinunter, die den weitläufigen, weitgehend verwilderten Garten von der Terrasse trennte.
    Heiner Baumann sah sieben oder acht Kinder, die sich etwa zwanzig Meter vom Haus entfernt zwischen den Büschen und Bäumen verteilt hatten. Einige trugen Federn im Haar, andere Cowboyhüte. Sie schossen mit Holzgewehren aufeinander und wälzten sich stöhnend und scheinbar verletzt auf dem Boden.
    Offensichtlich tobte hier eine Schlacht zwischen Rothäuten und Bleichgesichtern. Als Mühlenkamp sich schnaufend näherte, stoben die Kids auseinander und suchten ihr Heil in der Flucht.
    »Wenn ich euch nochmal erwische, passiert wat, dat könnt ihr mir glauben!«, rief Mühlenkamp hinter ihnen her und verlangsamte seinen Schritt. Ein schlaksiger Blonder von etwa zwölf Jahren drehte sich um und blieb stehen.
    »Schwarze Feders Rache wird fürchterlich sein!«, rief er Mühlenkamp zu, stieß dann einen gellenden Schrei aus und folgte demonstrativ langsam seinen Spielgefährten, die bereits den Zaun zum Nachbargrundstück überwunden hatten. Kurz bevor der das Hindernis erreichte, wandte sich Schwarze Feder noch einmal Mühlenkamp zu, hob eine Art Rohr zum Mund und unmittelbar darauf verzog der Dicke schmerzhaft das Gesicht. Der Junge grinste. Zu mehr als einem Fluch reichte die Kraft seines Verfolgers nicht mehr. Schwarze Feder verschwand hinter Büschen.
    »Ich sollte die Eltern verklagen«, beschwerte sich Mühlenkamp schwer atmend bei Baumann. »Dat is doch Hausfriedensbruch, oder? Un Körperverletzung. Wat meinen Se?«
    Baumann meinte nichts.
    »Immer mit die Erbsen.« Der Dicke rieb sich die linke Wange. »Dat könnte doch auch ins Auge gehen. Is dat eigentlich erlaubt?«
    »Was meinen Sie?«
    »Die pusten mit Erbsen durch so ‘n Rohr. Wie die Indianer vom Amazonas.«
    »Sie meinen ein Blasrohr?«
    »Genau. So heißt dat.« Er nahm die Hand von seiner Backe.
    »Sieht man da wat?«
     
    Der Kommissar warf einen flüchtigen Blick auf die Gesichtshälfte, die Mühlenkamp zur Besichtigung freigegeben hatte. »Ein kleiner roter Fleck. Sonst nichts.«
    »Wenn ich den Kerl erwische… Aber dat kommt nur von meinem Bruder«, ergänzte der Dicke mit Bestimmtheit.
    »Wieso?«
    »Der hat der Meute erlaubt, hier zu spielen. Ich war ja von Anfang an dagegen. Aber Horst… Manchmal hat er mitgemacht. Ein Indianerspiel! In seinem Alter!«
    Sie gingen an einer Rotbuche vorbei zurück Richtung Terrasse. Da lag ein Seil! Ein Ende im Gras, das andere war mehrfach um den Stamm der Buche gewickelt. Das war Baumann eben nicht aufgefallen. Eindeutig eine Wäscheleine.
    Er zeigte auf den Strick. »Sie sagten doch eben, dass es in Ihrem Haushalt so etwas nicht gibt.«
    Überrascht blickte Mühlenkamp nach unten. »Dat Teil hatte ich ganz vergessen. Na ja. Wat soll’s. Dat hat Horst besorgt.
    Der Baum hier war der Marterpfahl. Un damit hat er sich fesseln lassen. Allet klar?«
    »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich das Ding mitnehme?«, fragte Baumann.
    »Warum… warum dat denn?« Mühlenkamp wirkte erschrocken.
    Der Kommissar zog es vor, nicht zu antworten. Stattdessen bückte er sich und griff mit spitzen Fingern das Seil. »Danke für Ihre Kooperation. Sie erhalten

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