Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
Vom Netzwerk:
Woll’n Se auch
    ‘n Bier?«
    Der Kommissar wollte nicht. Als Mühlenkamp mit der Flasche zurückkehrte, fragte er: »Hatte Ihr Bruder Feinde?«
    »Nich dat ich wüsste.«
    »Sagen Sie, war Ihr Bruder krank?«
    Der Dicke stellte hörbar die Flasche auf den Tisch. »Warum woll’n Se dat wissen?«
    »Reine Routine. Wir müssen ein Fremdverschulden am Tod Ihres Bruders definitiv ausschließen können.«
    »Ach so.«
    »Was nun? War er krank?«
    »Ja.«
     
    Solche Verhöre liebte Baumann. Dem Gesprächspartner jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen zu müssen. »Woran war er erkrankt?«
    »Leukämie. War abba besser in letzter Zeit.«
    Baumann dachte an das Atracuriumbesilat. »Was für Medikamente nahm er?«
    »Woher soll ich dat wissen?«
    »Haben Sie nicht mit Ihrem Bruder darüber gesprochen?«, wunderte sich der Kommissar.
    »Nee. Nie.« Damit schien für den Dicken die Sache erledigt zu sein.
    »Kennen Sie die Namen der behandelnden Ärzte?«
    Mühlenkamp blickte Baumann an, als ob der ihn eben nach den Grundlagen der Quantenmechanik befragt hätte. »Seh ich so aus?«
    Eigentlich nicht, dachte Baumann.
    »Der is immer in sonne Klinik gefahren.«
    »Ja?«
    »Weiß abba nich, wo die is. In Essen oder Düsseldorf, glaub ich.«
    Enttäuscht ließ der Kommissar seinen Kugelschreiber sinken.
    Dieser Mühlenkamp hatte sich entweder um seinen Verstand gesoffen oder er wollte nicht mit ihm reden. Die Befragung führte zu nichts.
    Mühlenkamp setzte die Flasche wieder an.
    Baumann fragte ihn, ob er einen Blick in die Wohnung des Bruders werfen dürfe.
    »Wegen mir«, antwortete Mühlenkamp. »Treppe hoch. Is offen.«
    »Begleiten Sie mich?«
    Mühlenkamp machte eine abweisende Handbewegung.
    »Wie Sie meinen.«
     
    Oben angekommen, blickte sich Baumann erst einmal um.
    Schließlich machte er sich im Arbeitszimmer daran, die Ablage Horst Mühlenkamps zu überprüfen. Er hatte die Hoffnung, einen Hinweis auf den Namen der Klinik oder des behandelnden Arztes zu finden. Möglicherweise wurde ja Atracuriumbesilat bei der Behandlung von Leukämiekranken eingesetzt.
    Baumanns Recherche blieb erfolglos. Er inspizierte die anderen Räume der Wohnung. Nach dreißig Minuten gab er entnervt auf. Merkwürdig eigentlich: keine Hinweise auf die Krankheit des Verstorbenen. Keinen Briefwechsel mit der Krankenkasse, kein ärztliches Attest, kein Schreiben des Arbeitgebers… Der Kommissar würde Mühlenkamp danach fragen müssen. Und nach dem Seil, von dem der Gerichtsmediziner gesprochen hatte. In der Wohnung des Toten befand sich jedenfalls keines.
    Der Hauseigentümer hatte mittlerweile eine weitere Flasche Bier geöffnet. »Na, wat gefunden?«, begrüßte er den Kommissar.
    »Was hat Ihr Bruder beruflich gemacht?«, fragte Baumann zurück.
    »Der war bei der Stadt.«
    »In Recklinghausen?«
    »Wat denn sonst? In Peking ja wohl nich, oder?«
    Das war ein Anhaltspunkt. Über die Personalverwaltung war es möglich, den Namen der Krankenkasse zu erfahren, bei der der Verstorbene versichert gewesen war. Und über die Kasse konnte man den Arzt ausfindig machen. Und der konnte dem Kommissar dann vielleicht erklären, was es mit diesem Atracuriumbesilat auf sich hatte, das sie im Körper des Toten entdeckt hatten.
    »Was machen Sie eigentlich beruflich?«
    »Wieso? Ist das wichtig?«
     
    »Eigentlich nicht.«
    »Dann brauch ich ja auch nichts sagen.«
    »Das müssen Sie in der Tat nicht. Aber gibt es einen Grund dafür, dass Sie so zurückhaltend sind?«
    »Nee.«
    »Dann können Sie meine Frage doch beantworten, oder?«
    »Na gut. Ich bin auch bei der Stadt.«
    »Recklinghausen?«
    Mühlenkamp nickte.
    »Und was machen Sie da genau?«
    »Hausmeister.«
    »Aha.« Baumann gab sich mit dieser Antwort zufrieden.
    »Herr Mühlenkamp, ein anderes Thema. Ich habe in der Wohnung Ihres Bruders nichts über seine Krankheit gefunden.
    Keine Versicherungsunterlagen, einfach nichts. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    »Nee, hab ich nich.«
    »Eigenartig.«
    Mühlenkamp nahm einen Schluck. »Warten Se. Vor ‘n paar Tagen war die Schollweg hier mit sonnem Anwalt. Die ham was mitgenommen.«
    »Ach nee. Das ist ja interessant. Wie heißt dieser Anwalt?«
    »Esch. Kommt aus Herne.«
    In Baumanns Kopf wurden Millionen Nervenverbindungen geschaltet. »Irren Sie sich nicht?«
    »Nee. Wieso?«
    »War nur eine Frage.« Baumann musste grinsen. Er stellte sich das Gesicht des Hauptkommissars vor, wenn er diese Neuigkeit erfuhr. Schon wieder Rainer Esch. Immer

Weitere Kostenlose Bücher