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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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brach sie aus. Der Truck preschte mit über hundert Sachen erst nach rechts, dann wieder nach links, knallte gegen die Mittelleitplanke. Der schwere Hänger geriet ins Trudeln, riss aus der Verankerung, schleuderte und knickte die Leitplanken wie ein Strohhalm.
    Die Zugmaschine überschlug sich mehrmals und kam völlig zermalmt auf dem Standstreifen zum Stillstand. Dieki hing mit gläsernen Augen in seinen Gurten.
    Zwanzig Tonnen sind eine träge Masse. Der Anhänger kippte um und rutschte quer über die Gegenfahrbahn, einen Funkenregen versprühend.
    Das Letzte, was Maria Lehmann in ihrem Leben hörte, waren die ersten Takte der Filmmusik zu Convoy mit Kris Kristofferson in der Hauptrolle. Das Letzte, was sie sah, war eine etwa drei mal sieben Meter große Blechwand mit der Aufschrift: Wir fahren für Sie und Mercedes. Dann hörte und sah sie nichts mehr.
     
    31
    Hauptkommissar Brischinskys Fuß schmerzte schon wieder, als er am Montagmorgen das Präsidium betrat. Das Pochen hatte ihn das gesamte Wochenende über beschäftigt.
    Wahrscheinlich wäre es doch besser gewesen, wenn er sich dem Rat der Ärzte gebeugt hätte und noch einige Tage im Krankenhaus geblieben wäre. Aber jetzt dahin zurückzukehren, ließ sein Stolz nicht zu, Schmerzen hin oder her.
    Als er das Büro betrat, blätterte sein Assistent im Protokoll der Vernehmung Lehmanns.
    »Kaffee fertig?«, erkundigte sich Brischinsky und ließ sich mit einem vernehmlichen Ächzen auf seinen Stuhl fallen.
    »Hm«, antwortete Baumann, ohne von dem Schriftstück aufzusehen, sodass seinem Vorgesetzten nichts anderes übrig blieb, als sich wieder hochzustemmen und zu dem Aktenschrank zu humpeln, in dem sie ihr Geschirr aufbewahrten.
    »Keine saubere Tasse da«, beschwerte er sich.
    »Kann sein«, antwortete Baumann gedankenverloren.
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«, maulte Brischinsky.
    Baumann legte den Ordner zur Seite. »Ich habe meine von Samstag benutzt«, entschuldigte er sich.
    Skeptisch musterte sein Vorgesetzter seine eigene schmutzige Tasse, die auf dem Schreibtisch stand. Eingetrocknete grünbräunliche Kaffeereste bedeckten deren Boden. Eine Hinterlassenschaft des Süßstoffs, den er benutzte, seitdem er das Rauchen aufgegeben hatte. Er wollte nicht noch mehr an Gewicht zulegen.
    »Na toll. Wie wär’s mit Spülen?«
    »Eigentlich bist du ja an der Reihe«, startete Baumann einen letzten Versuch. »Ich habe erst letzte Woche…«
    »Na und?« Mit dieser Bemerkung war für Brischinsky die Angelegenheit erledigt. Baumann kannte seinen Chef gut genug, um zu wissen, wann er aufgeben musste.
    Kurz darauf hielt auch der Hauptkommissar eine Kaffeetasse in der Hand. »Wann hast du den Termin bei dem Bruder des Toten?«, erkundigte sich Brischinsky unvermittelt.
    »Du meinst Mühlenkamp?«
    »Wen sonst?«
    »Zwölf Uhr. Aber ich dachte, wir würden gemeinsam…«
    »Nein. Ich muss zum Präsidenten. Wenn wir Lehmann bei der Geldübergabe observieren wollen, brauchen wir mehr Leute.« Er seufzte. »Das wird nicht einfach. Die anderen sind ja schließlich auch chronisch unterbesetzt. Nein, du fährst allein zu Mühlenkamp.« Brischinsky lächelte. »Ist ja ohnehin dein Fall.«
    Baumann wuchs um einen halben Meter, trotzdem fragte er vorsichtshalber nach: »Wie meinst du das?«
    »Wie ich es sage. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Nicht bei unserer Personaldecke. Die Fahndung nach Hendrikson hat Priorität.«
    Das war Baumanns Stichwort. Er fischte ein Blatt aus der Schublade. »Ich habe es nachgeprüft. In Recklinghausen gibt es nur drei Hendriksons, in Bochum knapp zwei Dutzend.
    Etwas mehr sind in Essen und Dortmund gemeldet. In Castrop sind es nur zwei und in…«
    Brischinsky hob die Hand. »In meiner Laufbahn ist mir noch kein Erpresser oder auch ein anderer Krimineller untergekommen, der auf Nachfrage seinen richtigen Namen benutzt hat. Die sind doch nicht bescheuert! Jedenfalls nicht so bescheuert«, schränkte er ein. »Dieser Hendrikson wird wer weiß wie heißen. Nur nicht Hendrikson.«
    »Aber er könnte den Falschnamen doch auch benutzt haben, um sich irgendwo anzumelden, ein Geschäft oder so was«, wandte Baumann zaghaft ein. »Mit gefälschten Papieren…«
    »Quatsch. Warum sollte er das tun? Da könnte er sich ja gleich ins Telefonbuch setzen lassen. Ein solches Risiko geht der nicht ein. Nein, nein. Der Weg zu diesem Hendrikson führt über Lehmann.«
    Baumann wollte das nicht vertiefen. »Also fahre ich zu Mühlenkamp?«
    »Ja.

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