Zweyer, Jan - Rainer
Mühlenkamp.«
»Was Sie nicht sagen. Kaffee?«
»Espresso, bitte.«
Schmidt drückte die Tasten eines Telefons. »Frau Semmler, einen Espresso und für mich grünen Tee bitte.« Dann wandte er sich wieder seinem Gast zu. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Bei der Selbsthilfegruppe Mühlenkamps.«
»Ah ja.«
»Zu dieser Gruppe gehört auch ein Jörg Deidesheim.
Mühlenkamp hat ihm vom Service Ihrer Agentur erzählt.
Deidesheim ist sehr interessiert und hat deshalb meine Dienste in Anspruch genommen.«
»Warum schaltet er einen Anwalt ein?«
»Zum einen lebt er äußerst zurückgezogen. Gäbe es nicht seine regelmäßigen Besuche in der Selbsthilfegruppe, könnte man sagen, Deidesheim sei menschenscheu. Ich vermute, das ist eine Folge seiner Krankheit. Ich weiß nicht, wie meine Psyche reagieren würde, wenn mir jemand sagen würde, dass ich nur noch eine bestimmte Zeit zu leben hätte. Vielleicht…
Aber lassen wir das. Deidesheim wurde nichtehelich geboren.
Seine Mutter ist vor einiger Zeit verstorben. Und zu dem leiblichen Vater hatte er noch nie Kontakt. Deidesheim will nicht, dass ihn sein Vater beerbt. Nun, er und Mühlenkamp waren gemeinsam in dieser Selbsthilfegruppe. Ich erwähnte das ja bereits. Mühlenkamp war mein Mandant. Schon seit Jahren«, log Rainer weiter. »Da lag es für Deidesheim nahe, bei mir Rat einzuholen. Deshalb auch mein Anruf vor einigen Tagen. Ich wollte mich bei Ihnen etwas sachkundiger machen.
Mühlenkamp hatte mich seinerzeit nicht in die Verhandlungen einbezogen.« Esch versuchte ein Lächeln. »Leider. Gegen das Honorar hätte ich nichts einzuwenden gehabt.«
Schmidts Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Wo woher noch blasierte Langeweile war, zeichnete sich jetzt Anspannung ab. Wie ein Jagdhund, der die Spur aufgenommen hat, dachte Rainer.
Tatsächlich stürzte sich sein Gegenüber gierig auf den Knochen, der ihm hingeworfen worden war. »Wussten Sie, dass wir für jede erfolgreiche Vermittlung eine Provision von zwei Prozent zahlen?«
Das hatte Rainer bereits im Internet gelesen. »Ach? Das ist ja interessant. Zwei Prozent von was?«
»Von der Versicherungssumme. Wie hoch ist denn die Lebensversicherung Ihres Mandanten?«
Rainer war sich fast sicher, dass er auf der Siegerstraße war.
Für einige Tage würde die Legende Jörg Deidesheim standhalten. Aber eine Hürde musste er noch nehmen.
»Dreihunderttausend im Sterbefall. Ich habe hier…«, er griff zu seiner alten Aktentasche, »… die Police sowie einige weitere Unterlagen. Allerdings…«
»Ja?«
»Mein Mandant besteht darauf, dass alle Verhandlungen ausschließlich über mich geführt werden.«
»Kein Problem, Herr Esch. Wirklich kein Problem.«
Jetzt galt es. »Und er möchte, dass mir derjenige, der später als Anspruchsberechtigter auftritt, vor Vertragsunterzeichnung vorgestellt wird.«
»Sie meinen unseren Kunden?«
»Ich glaube, Sie nennen sie so.«
Schmidt schluckte. »Das ist allerdings ungewöhnlich. Unsere Geschäftsbedingungen…«
»… können Sie in diesem Punkt vergessen. Für meinen Mandanten ist das nicht verhandelbar.«
»Aber der Kunde kann ihm doch wirklich völlig gleichgültig sein. Entscheidend ist doch nur, ob er sein Geld bekommt.«
»Das sehe ich ja genauso, Herr Schmidt. Aber ich deutete doch an, dass mein Mandant, nun ja, ein wenig sonderbar ist.
Eine Lebensversicherung zu überschreiben – für ihn kommt das einem Vertrauensbeweis gleich. Doch ich kann Sie beruhigen. Er wird sich vollständig auf mein Urteil verlassen.«
Schmidt rieb sich nervös die Hände. »Unsere Kunden werden von uns auf Herz und Nieren geprüft. Das kann ich Ihnen versichern. Wir können wirklich keine Ausnahme…«
Esch packte die Unterlagen ein. »Schade. Aber ich bin zu Verhandlungen mit Ihnen nur autorisiert, wenn in dieser Frage Übereinstimmung erzielt wird. Schließlich gibt es, soweit ich informiert bin, noch andere Agenturen Ihrer Art.«
Schmidt wischte sich den Schweiß von der Stirn. Und Rainer wusste definitiv, dass er den Fisch an der Angel hatte. Er stand auf. »Wenn Sie sich also nicht in der Lage sehen, diesen Punkt im beiderseitigen Interesse zu regeln… War nett, Sie kennen gelernt zu haben.« Der Anwalt streckte Schmidt die Hand zum Abschied entgegen.
Der Geschäftsführer von FürLeben erhob sich, zögerte einen Moment und ließ sich dann wieder auf den Stuhl zurücksinken.
»Bitte behalten Sie doch Platz. Wie hoch, sagten Sie, ist die
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