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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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in die Tiefe spähte.
    »Vor zwei Jahren. Sie wollten in der vorletzten Nacht des Jahrmarkts auf dem Rummelplatz Feuer legen. Zu ihrer großen Überraschung habe ich sie daran gehindert.«
    Er zog die erste Leiche an den Rand der Grube.
    »Halt«, fiel ich ihm in den Arm. »Wir müssen ihnen vorher die Köpfe abschneiden. Die Körper können wir in den Schacht werfen, aber die Köpfe müssen getrennt begraben werden... für alle Fälle.«
    »Häh? Was soll das heißen?«
    Ich berichtete ihm von meinen Erlebnissen mit dem Troll, den er unter dem Boden von Shockville beerdigt hatte.
    »Ich habe sie bisher nie enthauptet«, murmelte er.
    »Dann sind einige von ihnen vielleicht aus ihren Gräbern zurückgekehrt.«
    Er ließ die Leiche los und dachte schweigend über diese bestürzende Möglichkeit nach. In Anbetracht seiner Statur und seiner furchterregenden Gesichtszüge hätte man glauben können, daß er zwar anderen Angst einflößte, selbst aber vor nichts Angst hatte. Doch dem war nicht so. Trotz des schwachen Lichts sah ich die Furcht in seinem Gesicht und in seinen beiden normalen Augen, und als er wieder sprach, war sie auch seiner Stimme anzuhören. »Du meinst — irgendwo könnten ein paar von ihnen herumlaufen, die wissen, daß ich sie durchschaue... die vielleicht nach mir suchen... vielleicht seit langer Zeit nach mir suchen und mir dicht auf der Spur sind?«
    »Möglich wäre es«, sagte ich. »Ich nehme an, daß die meisten tot bleiben, sobald wir sie umgebracht haben. Wahrscheinlich ist der verbliebene Lebensfunke nur bei wenigen so stark, daß sie sich heilen und schließlich auferstehen können.«
    »Sogar wenige sind zuviel«, murmelte er unbehaglich und starrte auf die gähnende Schachtöffnung hinab, als rechnete er damit, daß Trollhände sich aus der Dunkelheit emporrecken würden, als glaubte er, daß seine Opfer schon vor langer Zeit zu neuem Leben erwacht, aber dort unten geblieben waren, nur um auf seine Rückkehr zu warten.
    »Ich glaube nicht, daß die beiden, die ich hier reingeworfen habe, auferstehen konnten«, meinte er schließlich. »Ich habe sie zwar nicht enthauptet, aber ansonsten verdammt gründliche Arbeit geleistet; und selbst wenn wider Erwarten doch noch ein Lebensfunke in ihnen geglommen haben sollte, als ich sie herbrachte, muß der Sturz in die Tiefe ihnen vollends den Garaus gemacht haben. Außerdem hätten sie, wenn sie zu neuem Leben erwacht wären, die anderen in Yontsdown gewarnt, und dann hätte die Gruppe, die heute den Sabotageakt am Riesenrad verüben wollte, bestimmt mehr Vorsicht walten lassen.«
    Obwohl der Schacht sehr tief war und Joel höchstwahrscheinlich mit seiner Vermutung recht hatte, daß kein Troll aus diesem kalten bodenlosen Grab zurückkehren konnte, schnitten wir allen sechs Dämonen, die wir in dieser Nacht liquidiert hatten, die Köpfe ab. Ihre Körper warfen wir in den Schacht, aber die Köpfe begruben wir viel tiefer im Wald.
     
    Auf dem Rückweg nach Gibtown-auf-Rädern war ich so müde, daß ich glaubte, meine Knochen würden jeden Moment aus den Scharnieren fallen. Auch Joel Tuck schien erschöpft zu sein, und wir brachten nicht die Energie auf, einander all jene Fragen zu stellen, auf die wir Antworten wünschten. Eine Frage brannte mir allerdings so auf der Seele, daß ich nicht bis zum nächsten Tag warten konnte: Ich wollte wissen, warum er sich am Mittwochmorgen dumm gestellt hatte.
    »Nun, Carl Slim, damals war ich mir noch nicht sicher, ob ich das Darunter unter deinem Darunter gesehen hatte«, paraphrasierte er jene Frage, die er mir einmal in bezug auf Rya gestellt hatte, zur Antwort um. »Ich wußte, daß ein Troll-Killer in dir steckte, aber ich wußte nicht, ob das dein tiefstes Geheimnis war. Du schienst ein Freund zu sein. Ein Troll-Killer muß das Herz auf dem rechten Fleck haben, sagte ich mir. Aber ich bin nun einmal sehr vorsichtig. Weißt du, als Kind war ich nicht so mißtrauisch, aber ich habe aus Erfahrungen gelernt. O ja! Als kleiner Junge war ich verzweifelt über mein abstoßendes Gesicht, und ich wünschte mir sehnlichst, trotzdem akzeptiert und geliebt zu werden. Ich war so liebesbedürftig, daß ich jedem, der ein freundliches Wort für mich hatte, vertraute. Aber einer nach dem anderen enttäuschte mich. Manche lachten hinter meinem Rücken über mich, und bei anderen spürte ich irgendwann ein widerliches Mitleid. Einige Erwachsene, denen ich besonders vertraut hatte, versuchten mich in eine geschlossene

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