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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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unseren Weg fort. Ich beschleunigte meine Schritte, als wir uns Gibtown-auf-Rädern näherten. Das Gespräch über Rya hatte mich daran erinnert, daß sie in Gefahr schwebte. Obwohl ich sie gebeten hatte, vorsichtig zu sein, und obwohl sie wahrscheinlich ganz gut allein auf sich aufpassen konnte, speziell nachdem sie jetzt vorgewarnt war, und obwohl mein sechster Sinn mich nicht alarmierte, daß ihr im Augenblick Unheil drohte, quälte mich Unruhe, und ich wollte mit eigenen Augen sehen, daß sie wohlauf war.
    Joel und ich trennten uns mit dem Versprechen, am nächsten Tag unsere Neugier über die übersinnlichen Fähigkeiten des jeweils anderen zu befriedigen und unser Wissen über die Trolle auszutauschen.
    Dann eilte ich auf Ryas Airstream zu. Ich legte mir eine Geschichte zurecht, die das Blut auf meinen Kleidern erklären würde, falls Rya noch wach sein sollte. Mit etwas Glück würde sie aber schon schlafen, und ich würde in Ruhe duschen und meine Sachen auswaschen können, bevor sie sie zu sehen bekam.
    Ich fühlte mich fast wie der Grimme Schnitter höchstpersönlich, der müde von der Arbeit heimkommt.
    Ich wußte nicht, daß dieser Schnitter noch vor Morgengrauen gezwungen sein würde, seine Sense wiederum zu schwingen.

16 -  Eine totale Herzfinsternis
     
    Rya saß im Wohnzimmer in einem Lehnstuhl. Sie trug noch immer die braune Hose und die smaragdgrüne Bluse, die sie auf dem Rummelplatz angehabt hatte. Sie hielt ein Glas Scotch in der Hand, und als ich ihr Gesicht sah, blieb mir die Geschichte, die ich zur Erklärung der Blutflecke erfunden hatte, nach den ersten Worten im Hals stecken. Etwas war passiert, das las ich in ihren Augen, und ich sah es an ihren zitternden Lippen, an den dunklen Augenringen und an ihrer Blässe, die sie älter erschienen ließen.
    »Was ist los?« fragte ich.
    Sie deutete stumm auf den Stuhl ihr gegenüber, und als ich meine schmutzige Jeans erwähnte — die Flecken sahen im Licht allerdings nicht so schlimm aus, wie ich befürchtet hatte —, murmelte sie, das spiele keine Rolle, und forderte mich wieder auf, Platz zu nehmen, diesmal schon leicht ungeduldig. Ich setzte mich und bemerkte erst jetzt die Erde und das Blut an meinen Händen. Wahrscheinlich war auch mein Gesicht mit Blut beschmiert. Mein Aussehen schien sie jedoch weder zu schockieren noch neugierig zu machen, und sie fragte mich auch nicht, wo ich in den vergangenen drei Stunden gewesen war. Was sie mir zu sagen hatte, mußte demnach sehr ernster Natur sein.
    Während ich mich auf die Stuhlkante setzte, trank sie einen großen Schluck Scotch, wobei das Glas klirrend gegen ihre Zähne schlug.
    Erschaudernd sagte sie: »Als ich elf Jahre alt war, brachte ich Abner Kady um und wurde meiner Mutter weggenommen. Das habe ich dir ja schon erzählt. Man brachte mich in einem staatlichen Waisenhaus unter. Auch das habe ich dir schon erzählt. Was du aber noch nicht weißt, ist... dort im Waisenhaus... habe ich sie zum erstenmal gesehen.«
    Ich starrte sie völlig verständnislos an.
    »Sie«, wiederholte Rya. »Sie hatten die Leitung des Waisenhauses. Der Direktor, der stellvertretende Direktor, die Oberschwester, der Arzt — der zwar nicht im Haus wohnte, aber rund um die Uhr zu erreichen war —, der Anwalt, die meisten Lehrer — fast alle Erwachsenen gehörten ihrer Rasse an, und ich war das einzige Kind, das sie sehen konnte.«
    Ich war völlig perplex, wollte aufspringen.
    Sie bedeutete mir mit einer Geste, ich solle bleiben, wo ich war. »Laß mich weitererzählen.«
    »Du siehst sie ebenfalls! Aber das ist ja kaum zu glauben!«
    »So unglaublich ist es gar nicht«, entgegnete sie. »Für gesellschaftliche Außenseiter gibt es auf der Welt nun einmal keine bessere Heimat als den Rummelplatz, und wer könnte ein größerer Außenseiter sein als wir, die wir sie sehen... die anderen ?«
    »Trolle«, sagte ich. »Ich nenne sie Trolle.«
    »Ich weiß. Aber ist es nicht logisch, daß unsereiner beim fahrenden Volk landet... oder in Irrenanstalten... häufiger als sonstwo?«
    »Joel Tuck«, murmelte ich.
    Sie zwinkerte überrascht. »Er sieht sie auch?«
    »Ja. Und ich glaube, er weiß, daß du die Trolle siehst.«
    »Aber er hat mir nie etwas davon erzählt.«
    »Weil er — wie er sagt — etwas Dunkles in dir spürt und ein äußerst vorsichtiger Mann ist.«
    Sie trank ihren Scotch aus und starrte mit völlig ausdrucksloser Miene die Eiswürfel in ihrem Glas an. Als ich erneut aufstehen wollte, sagte sie:

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