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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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»Nein, bleib sitzen. Komm nicht zu mir, Slim. Ich will nicht, daß du mich zu trösten versuchst. Ich will nicht, daß du mich in die Arme nimmst. Nicht jetzt. Ich muß das alles erst hinter mich bringen.«
    »Okay. Erzähl weiter.«
    »In Virginia hatte ich diese anderen, diese... Trolle nie gesehen. Wir wohnten ja in einer abgelegenen Gegend, kamen kaum herum und sahen keine Fremden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß ich ihnen nicht begegnete. Als ich sie dann im Waisenhaus zum erstenmal sah, bin ich zu Tode erschrocken, aber ich spürte, daß sie mich... eliminieren würden, wenn ich mir anmerken ließ, daß ich ihre Tarnung durchschauen konnte. Durch vorsichtige Andeutungen und Fragen bekam ich bald heraus, daß keines der anderen Kinder die Monster in unseren Erziehern sehen konnte.« Sie hob ihr Glas, erinnerte sich daran, daß es leer war, ließ es sinken und hielt es auf ihrem Schoß mit beiden Händen fest, damit sie nicht zitterten. »Kannst du dir vorstellen, was es bedeutete, als hilfloses Kind diesen Kreaturen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein? Oh, sie fügten uns keinen allzu großen physischen Schaden zu, denn viele tote oder schlimm mißhandelte Kinder hätten Ermittlungen zur Folge gehabt. Aber die strenge Hausordnung ließ genügend Spielraum für strenge körperliche Züchtigungen und alle möglichen anderen Strafen. Sie waren auch Meister in psychischer Folter, und sie hielten uns in einem konstanten Zustand der Angst und Verzweiflung. Sie schienen nach unserer Verstörung zu lechzen.«
    Ich hatte das Gefühl, als wäre mein Blut in den Adern gefroren.
    Ich wollte sie in den Arm nehmen, ihr übers Haar streichen und versichern, daß die Trolle ihre schmutzigen Hände nie wieder an sie legen würden, aber ich spürte, daß sie noch nicht fertig war und eine Unterbrechung nicht schätzen würde.
    Ihre Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern. »Aber es gab ein viel schlimmeres Schicksal als das Waisenhaus — eine Adoption. Weißt du, ich merkte bald, daß es sich bei den Ehepaaren, die herkamen, weil sie ein Kind adoptieren wollten, manchmal um zwei Trolle handelte, und keine Familie bekam je ein Kind, wenn nicht wenigstens ein Elternteil... ihresgleichen war. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Kannst du dir vorstellen, was mit jenen Kindern geschah? Im Waisenhaus mußten die Trolle wegen möglicher staatlicher Kontrollen noch eine gewisse Vorsicht walten lassen, doch in einer Familie bleiben schlimme Geheimnisse meistens unentdeckt, weil die Privatsphäre ja nicht verletzt werden darf. In ihren neuen Familien konnten die Kinder deshalb nach Belieben gefoltert werden. Sie dienten den Trollen, denen sie völlig ausgeliefert waren, als Spielzeuge. Deshalb mochte das Waisenhaus zwar die Hölle sein, aber ein Troll-Elternpaar zu bekommen, war noch weitaus schlimmer.«
    Das Eis dehnte sich von meinem Blut auf die Knochen aus, wo das Mark zu gefrieren schien.
    »Ich vermied es, adoptiert zu werden, indem ich mich dumm stellte, indem ich so tat, als hätte ich einen derart niedrigen IQ, daß es keinen Spaß machen würde, mich zu quälen. Weißt du, sie wollen Reaktionen sehen. Das ist es, was sie am meisten befriedigt. Und ich meine nicht einmal die physischen Reaktionen auf den Schmerz, den sie uns zufügen. Die sind zweitrangig. Was sie wollen, ist unsere Angst, unsere Pein, und bei einem geistig beschränkten, fantasielosen Menschen kann man genauso wenig wie bei einem Tier einen wirklich befriedigenden, aus vielen Schichten und Elementen zusammengesetzten Schrecken erzeugen. Auf diese Weise entging ich also einer Adoption, und als ich alt und zäh genug war, um auf eigenen Füßen stehen zu können, lief ich weg und schloß mich dem Sombra Brothers Carnival an.«
    »Mit vierzehn Jahren?«
    »Ja.«
    »Alt und zäh genug«, murmelte ich mit bitterer Ironie.
    »Nach elf Jahren mit Abner Kady und nach drei Jahren unter der Fuchtel von Trollen war ich so zäh, wie man überhaupt nur werden kann.«
    Hatten ihre Tapferkeit, Leidensfähigkeit, Beharrlichkeit und Stärke mir schon nach den Enthüllungen über ihre schrecklichen Kindheitserlebnisse mächtig imponiert, so war ich jetzt völlig überwältigt von Staunen über ihr geradezu übermenschliches Durchhaltevermögen. Ich hatte wirklich eine außergewöhnliche Frau gefunden, eine Frau, deren Überlebenswillen einem Wunder gleichkam.
    Ihr Bericht hatte mich so erschüttert, daß ich mich kraftlos zurücklehnte, einen bitteren

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