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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der erste Schritt zur Vergebung, und Vergebung bedeutet Hoffnung.
    Ein Beweis für wahre Menschlichkeit ist die Unfähigkeit, kaltblütig einen Mitmenschen umzubringen. Es muß so sein. Denn andernfalls gibt es so etwas wie wahre Menschlichkeit überhaupt nicht, und dann sind wir alle im Grunde genommen auch Trolle.
    Ich hob den Kopf.
    Ich ließ ihre Hand los.
    Sie zog die Klinge aus mir heraus.
    Ich ließ meine Arme seitlich hinabhängen und blieb schutzlos stehen.
    Sie holte weit aus.
    Ich schloß meine Augen.
    Eine Sekunde verging.
    Zwei Sekunden.
    Drei.
    Ich öffnete meine Augen.
    Sie ließ das Messer fallen.
    Ein Beweis.

18 -  Erster Epilog
     
    Wir entkamen aus Yontsdown, aber nur, weil alle Schausteller enorme Risiken eingingen, um Rya und mich zu beschützen. Die meisten wußten nicht, warum zwei Bullen in Ryas Wohnwagen umgebracht worden waren, aber sie wollten es auch gar nicht so genau wissen. Joel Tuck erfand irgendeine Geschichte, die zwar niemand glaubte, mit der sich aber alle zufriedengaben. Mit bewundernswerter Kameradschaft schlossen sie die Reihen um uns, obwohl sie natürlich nicht wußten, daß sie sich damit gegen einen viel mächtigeren Feind als nur die Außenwelt und die Yontsdowner Polizei verbündeten.
    Joel lud die Leichen der beiden Trolle, von denen einer es zum Polizeichef gebracht hatte, in den Streifenwagen, fuhr damit an einen ruhigen Ort, enthauptete beide Leichen und begrub die Köpfe. Dann brachte er den Streifenwagen mit den beiden enthaupteten Leichen nach Yontsdown und parkte ihn bei Tagesanbruch in einer Sackgasse hinter einem Lagerhaus. Luke Bendingo holte ihn dort ab und brachte ihn nach Gibtown-auf-Rädern zurück, ohne etwas von der Verstümmelung der beiden Polizeibeamten zu ahnen.
    Die anderen Trolle in Yontsdown würden vielleicht glauben, irgendein Psychopath hätte Kelsko und dessen Assistenten ermordet, noch bevor die beiden zum Jahrmarktsgelände gefahren waren. Aber selbst wenn sie uns verdächtigten, konnten sie uns nichts beweisen.
    Ich versteckte mich im Wohnwagen der fetten Dame, Gloria Neames, die so gütig war wie nur wenige Menschen, die ich kannte. Auch sie besaß gewisse übersinnliche Kräfte. Sie konnte, wenn sie sich darauf konzentrierte, kleine Gegenstände anheben, ohne sie zu berühren, und sie konnte verlorene Dinge mit Hilfe einer Wünschelrute auffinden. Die Trolle konnte sie nicht sehen, aber als wir ihr erzählten, daß Joel Tuck, Rya und ich dämonische Wesen, als Menschen getarnt, sehen konnten, glaubte sie uns bereitwillig, aufgrund ihrer eigenen besonderen Gaben, über die Joel übrigens Bescheid gewußt hatte.
    Wir waren in mancher Hinsicht wesensverwandt. Gloria drückte es folgendermaßen aus: »Gott wirft jenen von uns, die Er verunstaltet, manchmal einen Knochen zu. Ich glaube, daß abnorme Personen prozentual gesehen viel häufiger übersinnliche Fähigkeiten besitzen als die sogenannten normalen Menschen, und ich glaube, daß es uns bestimmt ist zusammenzuhalten. Aber ganz unter uns gesagt, mein Lieber: Ich würde liebend gern auf alle besonderen Gaben verzichten, wenn ich dafür schlank und schön sein könnte!«
    Der Schaustellerarzt, ein ehemaliger Alkoholiker namens Winston Pennington, kam zwei- bis dreimal täglich in Glorias Wohnwagen, um meine Wunde zu behandeln. Es waren keine Arterien und auch keine lebenswichtigen Organe verletzt worden. Aber ich bekam Fieber, litt unter ständiger Übelkeit, die mich auszutrocknen drohte, und fantasierte. An die ersten sechs Tage nach meinem Kampf mit Rya auf dem Friedhof erinnere ich mich kaum.
    Rya...
    Sie mußte verschwinden. Schließlich war sie vielen Trollen als Kollaborateurin bekannt, und sie würden sie auch in Zukunft aufsuchen und erwarten, daß sie jeden verriet, der ihre Maskerade durchschaute. Doch dazu war sie nicht länger bereit. Sie war ziemlich sicher, daß nur Kelsko und sein Assistent über mich Bescheid gewußt hatten, und da beide tot waren, bestand für mich keine Gefahr. Aber sie selbst mußte untertauchen. Arturo Sombra meldete sie bei der Yontsdowner Polizei als vermißt. Die Polizei fand natürlich keinerlei Spuren. In den nächsten zwei Monaten führte der Sombra Brothers Carnival Ryas Konzessionen in ihrem Namen weiter, doch schließlich gingen ihre Attraktionen vertragsgemäß in den Besitz der Gesellschaft über. Finanziert von Joel Tuck, kaufte ich sie. Am Ende der Saison brachte ich Ryas Airstream nach Gibsontown in Florida und stellte ihn neben ihrem

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