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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vorging, zückte ich die Waffe, sprang auf und warf das Messer.
    Ich war so schnell, daß Kelsko nicht dazu kam, den Revolver auf mich zu richten und abzudrücken, obwohl er in den Boden feuerte, während er mit durchbohrter Kehle nach hinten fiel. In dem kleinen Raum dröhnte der Schuß wie Kanonendonner.
    Rya schrie entsetzt auf, aber da war Kelsko schon tot.
    Mit einem Satz war ich bei dem Ungeheuer, drehte das Messer vorsichtshalber in der Wunde und riß es dann heraus. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, daß Rya die Tür aufgeschlossen hatte und einen Polizisten hereinließ. Es war derselbe Beamte, der sich bei unserem Besuch in Kelskos Büro in der Ecke postiert hatte — ein Troll wie sein Chef. Er trat gerade von der obersten Stufe über die Schwelle, sein Blick fiel auf Kelskos Leiche, und ihn durchzuckte die Erkenntnis, daß er in Todesgefahr schwebte, doch inzwischen hatte ich das Messer bereits bei der Klinge gepackt und durch die Luft wirbeln lassen. Es durchbohrte den Adamsapfel des Unholds, und im gleichen Moment drückte er auf den Abzug seines Smith & Wess o n, aber er konnte nicht mehr genau zielen, und die Kugel traf eine Lampe links von mir. Der Troll fiel rückwärts die Treppe hinab, in die Dunkelheit hinein.
    Ryas Gesicht war schreckensstarr. Sie glaubte zweifellos, daß sie mein nächstes Opfer sein würde.
    Sie stürzte aus dem Wohnwagen und rannte um ihr Leben.
    Einen Augenblick lang stand ich keuchend da, außerstande mich zu bewegen, wie gelähmt. Es war nicht das Töten, das mich betäubte — ich hatte ja schon oft getötet. Es war auch nicht eine Reaktion auf die Todesgefahr, in der ich geschwebt hatte, die mir weiche Knie verursachte — ich hatte mich schon oft in ähnlich kritischen Situationen befunden. Was mich am Boden festzunageln schien, war der Schock darüber, wie total sich unser Verhältnis verändert hatte, der Schock über den nie wiedergutzumachenden Verlust, den ich erlitten hatte. Die Liebe kam mir jetzt wie ein Kreuz vor, an das Rya mich geschlagen hatte.
    Dann löste sich meine Erstarrung.
    Ich taumelte zur Tür.
    Die Metallstufen hinab.
    Um den toten Polizisten herum.
    Ich sah, daß mehrere Schausteller, die die Schüsse gehört hatten, aus ihren Wohnwagen gestürzt waren, darunter auch Joel Tuck.
    Rya war etwa dreißig Meter entfernt. Sie rannte die Straße zwischen den Wohnwagen entlang, tauchte in Teichen aus Dunkelheit unter und durchquerte im nächsten Moment kleine Inseln von Licht, das aus Fenstern und Türen fiel. Es war eine unwirkliche Szene — so als huschte ein Gespenst durch eine Traumlandschaft.
    Ich wollte sie nicht verfolgen.
    Wenn ich sie einholte, würde ich sie vielleicht töten müssen.
    Ich wollte sie nicht töten.
    Es wäre besser, einfach fortzugehen. Nie zurückzuschauen. Zu vergessen.
    Ich verfolgte sie.
    Wie in einem Alptraum schienen wir zu rennen, ohne von der Stelle zu kommen, vorbei an unendlichen Reihen von Wohnwagen, zehn Minuten lang, zwanzig Minuten... Aber ich wußte, daß Gibtown-auf-Rädern nicht so groß war, daß mein Zeitgefühl durch Hysterie stark beeinträchtigt war, und in Wirklichkeit dauerte es wohl höchstens eine Minute, bis wir aufs freie Feld gelangten. Hohes Gras peitschte meine Beine, Frösche sprangen mir hastig aus dem Weg, und einige Leuchtkäfer prallten gegen mein Gesicht. Ich rannte, so schnell ich konnte, machte riesige Sätze, obwohl mir von den Prügeln mit dem Holzknüppel noch immer alle Knochen im Leibe weh taten. Rya wurde von ihrer Furcht angetrieben, doch ich verringerte den Abstand zwischen uns langsam aber sicher, und als sie den Waldrand erreichte, war ich nur noch etwa zwölf Meter von ihr entfernt.
    Sie drehte sich kein einziges Mal um.
    Sie wußte, daß ich da war.
    Die Morgendämmerung war nicht mehr fern, aber noch war die Nacht sehr dunkel, und unter dem Baldachin aus Tannennadeln und Blättern waren wir so gut wie blind, aber wir wurden auch im Wald nicht viel langsamer. In unserem Zustand äußerster Erregung schienen sich unsere übersinnlichen Kräfte besonders zu bewähren, denn intuitiv fanden wir den leichtesten Weg durch den Wald, so als wären wir irgendwelche Tiere, die auf nächtliche Jagd spezialisiert sind. Sie war noch immer mehr als sechs Meter vor mir, als wir aus dem Wald hinausstürzten und einen langen Hügel hinabzurennen begannen.
    Ein Friedhof...
    Ich kam schlitternd zum Stehen, suchte an einem großen Grabmal Halt und starrte entsetzt auf den Friedhof unter mir. Er

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