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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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viele Yontsdowner Schulkinder zum Opfer fallen würden.
    Rya war vor Sorge um mich schon bleich gewesen, doch nun erbleichte sie noch mehr, und als ich meinen Bericht beendet hatte, war sie blasser als der schmutzige Schnee und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Ihr unverkennbares Entsetzen erinnerte mich daran, daß sie ja im Waisenhaus persönliche Erfahrungen gesammelt hatte, was Trolle wehrlosen Kindern anzutun vermochten.
    »Was können wir tun?« fragte sie.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Können wir diesen Brand verhindern?«
    »Das glaube ich nicht. Dieses Gebäude strahlt eine ungeheure Todesenergie aus. Das Feuer scheint unvermeidlich zu sein. Ich glaube nicht, daß wir etwas dagegen tun können.«
    »Wir können es jedenfalls versuchen«, sagte sie leidenschaftlich.
    Ich nickte ohne viel Überzeugung.
    »Wir müssen es versuchen.«
    »Ja, du hast recht«, stimmte ich müde zu. »Aber zunächst einmal brauchen wir ein Motel... ich muß mich irgendwo verkriechen können, um diese gräßliche Stadt ein Weilchen nicht mehr zu sehen.«
    Sie fand eine passende Unterkunft etwa drei Kilometer vom Supermarkt entfernt, an einer nicht allzu belebten Kreuzung. Das Traveler's Rest Motel. Einstöckig, etwa zwanzig Zimmer, U-förmig angelegt, in der Mitte ein Parkplatz. Es war schon so dämmerig, daß das große grüne und orangefarbene Neonschild eingeschaltet war; die drei letzten Buchstaben des Wortes MOTEL leuchteten nicht mehr, ebensowenig wie die Nase der Neonkonturen eines gähnenden Gesichts. Das Motel war noch etwas schäbiger als das Gros der Häuser von Yontsdown, aber wir suchen ja kein luxuriöses Quartier; in erster Linie ging es uns um Anonymität, sogar noch mehr als um eine zuverlässige Heizung und Sauberkeit, und das Traveler's Rest sah so aus, als könnte es uns diese Anonymität bieten.
    Ich war von den schrecklichen Visionen noch immer so mitgenommen, daß ich Mühe hatte, mich aus dem Wagen zu hieven. Der Wind kam mir noch kälter vor, als er in Wirklichkeit war, denn er stand in krassem Gegensatz zu dem Feuer, das nach wie vor in mir zischte und flackerte und mir Herz und Seele versengte. Ich lehnte mich an die offene Tür und atmete die feuchte Märzluft in tiefen Zügen ein. Doch auch das half nicht viel. Als ich die Tür zuschlug, fiel ich fast nach hinten, schwankte und konnte nur mit Mühe das Gleichgewicht zurückerlangen. Ich lehnte mich rasch wieder an den Wagen. Mir war schwindelig, und grauer Nebel in den Augenwinkeln raubte mir die klare Sicht.
    Rya trat neben mich. »Weitere Visionen?«
    »Nein. Es sind nur die... die Nachwirkungen der anderen, von denen ich dir schon erzählt habe.«
    »Nachwirkungen? Aber so habe ich dich ja noch nie erlebt.«
    »Ich habe so etwas selbst noch nie erlebt.«
    »Waren jene Visionen derart schlimm?«
    »Ja. Ich fühle mich... niedergeschmettert, ausgelaugt — so als wäre ein Teil von mir in jenem Schulhaus zurückgeblieben.«
    Sie legte einen Arm stützend um mich und schob ihre andere Hand unter meinen Arm. Es war tröstlich, ihre Nähe und Stärke zu spüren.
    Ich kam mir töricht und melodramatisch vor, aber meine schlaffen Glieder und meine tiefe Erschöpfung waren völlig real.
    Wenn ich nicht einen totalen Zusammenbruch riskieren wollte, mußte ich mich in Zukunft von der Schule fernhalten und die Stadt auf Umwegen durchqueren. Meine hellseherischen Fähigkeiten waren in diesem Fall wesentlich stärker als mein Vermögen, den künftigen Schmerz anderer zu ertragen. Falls es sich jemals als notwendig erweisen sollte, die Schule zu betreten, um die Katastrophe abzuwenden, würde Rya vielleicht allein hineingehen müssen.
    Eine unerträgliche Vorstellung.
    Während wir auf das Empfangsbüro zugingen, kehrten meine Kräfte langsam zurück.
    Wir waren nur noch ein oder zwei Meter vom Eingang entfernt, als plötzlich ein lautes Poltern auf der Straße hinter uns zu hören war. Ein schwerer Lastwagen — ein schlammbrauner Peterbilt, dessen langer offener Anhänger mit Kohle beladen war — bog um die Ecke. Wir hatten uns beide umgedreht, und obwohl Rya nichts Ungewöhnliches aufzufallen schien, starrte ich wie gebannt auf die Tür mit dem aufgemalten Namen und Symbol der Firma: ein schwarzer Blitz in einem weißen Kreis, der von einem schwarzen Rechteck umgeben war, und die Wörter KOHLEN-HANDELSGESELLSCHAFT BLITZ.
    Meine Zwielicht-Augen registrierten eine Strahlung ganz besonderer, beunruhigender Art. Ich wurde nicht von Todesvisionen überwältigt wie

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