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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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den Minen abtransportiert wurde. Und wenn — warum? Es kam mir auch vor, als schrillten in Yontsdown die Sirenen von Streifen- und Rettungswagen viel häufiger als in anderen Städten.
    Irgendwann schlief auch ich ein und träumte. Wieder jener beängstigende Tunnel. Flackernde Lichter. Ölige Teiche aus Dunkelheit. Eine niedrige, unregelmäßige Decke. Seltsame Gerüche. Der Widerhall schneller Schritte. Ein Schrei, ein Kreischen. Plötzlich das ohrenbetäubende Geräusch eines Alarms. Die schreckliche Gewißheit, daß ich verfolgt wurde...
    Ich fuhr mit einem Schrei in der Kehle aus dem Schlaf hoch. Gleichzeitig erwachte auch Rya, keuchend und um sich schlagend, so als wollte sie sich aus den Händen irgendwelcher Feinde befreien.
    »Slim!«
    »Hier.«
    »O Gott!«
    »Nur ein Traum.«
    Wir hielten uns wieder fest umarmt.
    »Der Tunnel«, murmelte sie.
    »Ich auch.«
    »Und jetzt weiß ich, was es war.«
    »Ich auch.«
    »Eine Mine.«
    »Ja.«
    »Eine Kohlenmine.«
    »Ja.«
    »Die Kohlen-Gesellschaft Blitz.«
    »Ja.«
    »Wir waren dort.«
    »Tief unter der Erde«, sagte ich.
    »Und sie wußten, daß wir dort waren.«
    »Sie verfolgten uns.«
    »Und wir suchten und fanden keinen Ausweg«, sagte sie schaudernd.
    Wir verstummten.
    In der Ferne: ein heulender Hund. Und gelegentlich trug der Wind uns andere Geräusche zu, die sich wie das Schluchzen einer zu Tode geängstigten Frau anhörten.
    Irgendwann flüsterte Rya: »Ich habe Angst.«
    »Ich weiß«, murmelte ich und drückte sie noch fester an mich. »Ich auch. Ich auch.«

22 -  Das Studium des Teufelswerks
     
    Am nächsten Morgen — einem Freitag — mieteten wir ein Haus an der Apple Lane am äußersten Stadtrand, fast schon im Vorgebirge, unweit der bedeutendsten Kohlenminen der ganzen Gegend. Das Haus stand gut sechzig Meter von der Straße entfernt am Ende einer Kiesauffahrt, die jetzt eisverkrustet und verschneit war. Der Immobilienmakler riet uns zu Schneeketten, wie er sie an seinem Auto montiert hatte. Der Wald an den steilen Hügeln — hauptsächlich Tannen und Kiefern, aber auch vereinzelte Birken, Ahorn- und Lorbeerbäume — reichte auf drei Seiten fast bis zum Haus. An diesem düster-grauen Tag konnte kein Sonnenlicht die Wälder erhellen; beunruhigend tiefe Dunkelheit hüllte sie ein, so als hätte die Nacht dort bei Einbruch der Morgendämmerung Zuflucht gesucht. Das möblierte Haus hatte drei kleine Schlafzimmer, ein Bad, ein Wohnzimmer, ein Eßzimmer und eine Küche, verteilt auf zwei Stockwerke, unter einem Schindeldach — und über einem feuchten, niedrigen Keller, wo der Heizöltank untergebracht war.
    In diesem unterirdischen Raum hatten sich unvorstellbare Greuel ereignet. Sobald der Immobilienmakler Jim Garwood die Kellertür öffnete, stürmten Impressionen von Folter, Schmerz, Mord, Wahnsinn und Raserei auf mich ein. Das Böse quoll empor wie Blut aus einer Wunde. Ich hatte nicht die geringste Lust, zu diesem grausigen Ort hinabzusteigen.
    Doch Jim Garwood, ein eifriger Mann mittleren Alters mit gelblichem Teint und sanfter Stimme, wollte uns unbedingt Instruktionen für die Heizung geben, und ich konnte mich schlecht weigern mitzugehen, ohne seine Neugier zu wecken. Widerwillig folgte ich deshalb ihm und Rya in diese Grube menschlichen Leidens, hielt mich am Geländer fest und versuchte verzweifelt, den Würgereiz zu unterdrücken, den die nur für mich wahrnehmbaren Gerüche von ehedem auslösten. Unten angelangt, stapfte ich bewußt schwerfällig umher, weil mir von den Greueln schwindlig zu werden drohte, die sich direkt vor meinen Augen abzuspielen schienen.
    Ohne den okkulten Todesgestank bemerken zu können, der mir Übelkeit verursachte, und ohne die tatsächlich vorhandenen unangenehmen Kellergerüche — schwarzer Schimmel, Pilze, Moder — zu erwähnen, deutete Garwood auf die Schränke und Regale, die eine ganze Wand einnahmen. »Jede Menge Platz zum Abstellen.«
    »Sehr schön«, würdigte Rya.
    Ich konnte überhaupt nichts würdigen. Ich sah nämlich eine Frau in Todesangst vor einem Kohleofen, der hier gestanden hatte, bevor die Ölheizung installiert worden war. Ihr Körper war mit Wunden übersät, ein Auge zugeschwollen. Ich empfing die übersinnliche Botschaft, daß ihr Name Dora Penfield war und daß sie befürchtete, der Mann ihrer Schwägerin, Klaus Orkenwold, würde sie zerstückeln. Genau das war auch tatsächlich passiert, obwohl es mir zum Glück gelang, die Visionen von ihrem schrecklichen Tod

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