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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Fragen und suchte verzweifelt nach Antworten — vergeblich. Ich hätte mir diese Mühe freilich sparen können, wenn mir ein Blick in die nächste Zukunft vergönnt gewesen wäre, denn ich sollte schon sehr bald die Wahrheit über die Trolle erfahren. Ich ahnte noch nichts von den Enthüllungen, die mir in der vorletzten Nacht unseres Aufenthalts in Yontsdown zuteil werden würden. Und als ich dann schließlich alles über den Ursprung und die Motive der Trolle erfuhr, als ich endlich über jene hundertprozentig einleuchtende Erklärung verfügte, nach der ich jahrelang gesucht hatte — da wünschte ich mir genauso glühend wie Adam, als das Tor zum Paradies hinter ihm zufiel, ich hätte dieses Wissen nie erlangt.
    Doch soweit war es an jenem Nachmittag noch nicht, als ich mich mit offenem Mund und schlaffem Körper schlafend stellte und mir den Kopf über die Trolle zerbrach.
     
    Es war halb sechs am Freitag nachmittag, als wir das Jahrmarktsgelände erreichten. Der Rummelplatz war noch in die Sommersonne getaucht, erstrahlte aber auch schon im künstlichen Lichterglanz. Es wimmelte nur so von Menschen. Ich ging sofort zum ›Lukas‹, löste Marco ab und machte mich daran, den Passanten Münzen und Scheine abzunehmen. Den ganzen Abend über sah ich keinen einzigen Troll, doch das vermochte mich nicht aufzuheitern. Nächste Woche in Yontsdown würden sich auf dem Rummelplatz um so mehr Unholde tummeln, besonders in der Nähe des Riesenrades, wo ihre Gesichter in sadistischer Vorfreude strahlen würden.
    Um acht übernahm Marco wieder für eine Stunde meine Tätigkeit, damit ich zu Abend essen konnte. Da ich aber nicht besonders hungrig war, schlenderte ich einfach ein bißchen umher und stand nach einigen Minuten vor ›Shockville‹, Joel Tucks Abnormitätenschau.
    Ein riesiges illustriertes Werbeplakat schmückte die ganze Front der Attraktion: MENSCHENWUNDER AUS ALLER HERREN LÄNDER. Die kühnen farbenprächtigen Abbildungen von Jack-Vier-Hand (einem Indianer mit zwei zusätzlichen Armen), Lila, der Tätowierten Dame, der 750 Pfund schweren Gloria Neames (›die fetteste Dame der Welt‹) und anderen grotesken Gestalten waren unverkennbar das Werk von David C. ›Snap‹ Wyatt, dem letzten großen Zirkus- und Rummelplatzmaler, dessen Plakate die Zelte all jener Konzessionäre schmückten, die sich das leisten konnten. Joel Tuck konnte sich diesen Künstler offenbar leisten, und nur ein Mann mit Wyatts ungewöhnlichem Talent vermochte den in diesem Zelt versammelten Menschenwundern einigermaßen gerecht zu werden.
    In der hereinbrechenden Dämmerung hatte sich eine große Menschenmenge vor Shockville versammelt, starrte zu Wyatts herrlich monströsen Bildern empor und lauschte den Sprüchen des Ausrufers. Die meisten Männer wollten sich diese Attraktion auf keinen Fall entgehen lassen, auch wenn manche zunächst entrüstet äußerten, sie fänden es schrecklich und menschenunwürdig, arme Krüppel zur Schau zu stellen. Viele Frauen zierten sich anfangs und ließen sich scheinbar nur widerwillig zu einer derart gewagten Expedition überreden, doch beide Geschlechter bewegten sich letztendlich auf die Kasse zu.
    Auch mich zog etwas nach Shockville. Nicht die morbide Neugier, die den Durchschnittsbürger plagte.
    Etwas... Dunkleres. Etwas im Zelt wollte, daß ich es sah... und ich spürte, daß ich darüber Bescheid wissen mußte, wenn ich die nächste Woche überleben und den Sombra Brothers Carnival zu meinem Zuhause machen wollte.
    Eine düstere Vorahnung saß mir im Nacken wie eine blutsaugende Fledermaus und jagte mir kalte Schauder über den Rücken, so als würde ich meiner ganzen Körperwärme beraubt.
    Obwohl ich auch gratis eingelassen worden wäre, kaufte ich eine Karte für zwei Dollar, was für die damalige Zeit ein stolzer Preis war.
    Ich betrat das Zelt, das aus vier langen Kammern bestand, durch die ein Gang führte. Jeder der vier Räume war in drei Boxen unterteilt; in jeder Box befand sich eine Plattform, auf jeder Plattform stand ein Stuhl, und auf jedem Stuhl saß ein Menschenwunder. In den meisten Abnormitätenausstellungen gab es nur zehn Attraktionen. Joel Tuck bot den Besuchern jedoch mehr für ihr Geld — zwei zusätzliche Attraktionen, zwei Gründe mehr, an Gottes Güte zu zweifeln. Ein großes, farbenprächtig illustriertes Plakat an der Rückwand jeder Box schilderte die Lebensgeschichte und die medizinische Ursache des Gebrechens dieser lebendigen Exponate.
    Mich bestürzte zutiefst

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