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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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einen Epileptiker. Ich war heilfroh, keine Erklärung erfinden zu müssen, denn höchstwahrscheinlich hätte meine Stimme meinen inneren Aufruhr verraten und meine verharmlosenden Worte Lügen gestraft.
    Ich verspürte überwältigendes Mitleid mit den Menschen in dieser gottverlassenen Stadt. Mir war klar, was ich entdecken würde, wenn ich mich bei der Feuerwehr umschaute: Trolle. Ich dachte an die Schlagzeile in der Lokalzeitung — VIER TOTE DURCH FLEISCHVERGIFTUNG BEI KIRCHENPICKNICK — und wußte, was ich vorfinden würde, wenn ich dem Priester im Pfarrhaus einen Besuch abstattete: ein dämonisches Wesen mit Priesterkragen, das den Segen spendete und Trostworte sprach, während es sich insgeheim an der Trauer jener Menschen weidete, deren Angehörige es skrupellos vergiftet hatte. Welche Menge von Trollen mußte sich an jenem Apriltag vor der Grundschule versammelt haben, sobald der Alarm ausgelöst wurde, um die Katastrophe mit gespieltem Entsetzen zu verfolgen und sich in Wirklichkeit an den Qualen zu ergötzen. In ihrer perfekten Tarnung als Repräsentanten der Stadt hatten sich Kelsko, Spectorsky und Co. bestimmt in der Leichenhalle eingefunden, angeblich, um ihrer tiefen Betroffenheit über den schweren Verlust Ausdruck zu verleihen, in Wirklichkeit aber, um die Väter hungrig zu begaffen, die gezwungen waren, die verkohlten Leichen ihrer geliebten Kinder zu identifizieren. In der Pose teilnahmsvoller Freunde und Nachbarn hatten Trolle die Häuser der gramgebeugten Eltern aufgesucht und heuchlerisch Trost gespendet, während sie insgeheim gierig den süßen Pudding von Leid und Trauer verschlangen — so wie sie zweifellos auch jetzt wieder die Familien der beim Picknick Vergifteten umsorgten, um sich nur ja kein Quentchen Schmerz entgehen zu lassen. Ich war auch überzeugt davon, daß in Yontsdown kein Begräbnis jemals nur von wenigen Trauergästen begleitet wurde, ganz egal, wieviel — oder wie wenig — Ansehen der Verstorbene genossen hatte. Für die Schlangenbrut von Trollen, die hier ihr Unwesen trieb, war jede Beerdigung ein köstliches Labsal. Und wenn das Schicksal für ihren Geschmack nicht genügend Opfer produzierte, halfen sie eben ein wenig nach — setzten eine Schule in Brand, inszenierten einen schweren Verkehrsunfall, planten sorgfältig eine tödliche Panne in der Stahlhütte oder auf dem Güterbahnhof... Dem Erfindungsreichtum waren hier keine Grenzen gesetzt.
    So bestürzend allein schon die Tatsache der auffälligen Konzentration von Trollen in Yontsdown war, so gab es doch einen noch erschreckenderen Aspekt: ihre Fähigkeit, sich zu organisieren und die Kontrolle über menschliche Institutionen zu übernehmen. Bisher hatte ich die Trolle immer für eine Art umherstreifende Raubtiere gehalten, die ihre Opfer mehr oder weniger zufällig aussuchten, wenn sich irgendwo eine günstige Gelegenheit bot. Aber sie hatten in Yontsdown die Zügel der Macht in die Hand genommen und sowohl die Stadt als auch den ganzen Kreis in ihr privates Jagdrevier verwandelt.
    Und sie pflanzten sich hier im Gebirge fort, in diesem abgelegenen Kohlerevier, für das sich die übrige Welt so gut wie nie interessierte.
    Sie vermehrten sich...
    O Gott!
    Ich fragte mich, wie viele solcher Brutstätten von Vampiren es wohl in anderen verlassenen Winkeln der Welt geben mochte. Denn die Trolle waren eine Abart der Vampire. Ich spürte, daß sie sich nicht von dem Blut als solchem ernährten, sondern von den psychischen Ausdünstungen schmerzgepeinigter, angsterfüllter oder verzweifelter Menschen. Aber dieser Unterschied war im Grunde bedeutungslos. Für das Vieh, das zur Schlachtbank geführt wird, spielt es keine Rolle, welche Teile seiner Anatomie beim Festessen am begehrtesten sind.
    Wir waren jetzt wesentlich schweigsamer als auf der Hinfahrt. Jelly und Luke fürchteten sich vor einem Überfall durch Kelskos Männer, und mir hatte es vor Schrecken über alles, was ich gesehen hatte, und über die grausige Zukunft der Schulkinder von Yontsdown völlig die Sprache verschlagen.
    Wir passierten die Stadtgrenze.
    Wir fuhren an den knorrigen, mit Pilzen bewachsenen Eichen vorbei.
    Niemand stoppte uns.
    Niemand versuchte uns von der Straße zu drängen.
    »Bald«, sagte Jelly.
    Die Stadt lag einen Kilometer hinter uns.
    Wir fuhren an den Häusern vorbei, deren Vorgärten mit Autowracks dekoriert waren.
    Nichts.
    Jelly und Luke wurden immer nervöser.
    »Er hat uns viel zu ungeschoren davonkommen lassen«, murmelte

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