Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Mitmenschen sein konnten — wie die Besucher der Abnormitätenschau —, glaubte ich, daß wir die Trolle verdienten, daß wir einer verderbten Rasse angehörten, die das Wunder ihrer Existenz nicht genügend zu schätzen wußte, daß wir für unser abscheuliches Verhalten gegenüber unserem Nächsten mit der Bösartigkeit der Unholde bestraft wurden. Viele der Götter, die wir verehrten, stellten schließlich hohe Anforderungen, traten als Richter auf und waren zu unvorstellbaren Grausamkeiten imstande. Warum sollten sie uns nicht als Strafe für unsere Sünden von Trollen heimsuchen lassen? Doch die Stille des Waldes wirkte reinigend auf mich, und allmählich fühlte ich mich wohler, trotz unseres vorangegangenen Gesprächs über Friedhöfe und Alpträume.
    Kurz darauf bemerkte ich, daß Rya weinte. Sie gab keinen Laut von sich, und ihr Körper bebte auch nicht von heimlichem Schluchzen. Erst als ich mit meinem sechsten Sinn Signale ihrer schrecklichen Melancholie auffing und einen Blick zu ihr hinüberwarf, sah ich, daß eine im Mondlicht schimmernde Träne über ihre glatte Wange rollte.
    »Was ist?« fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Willst du nicht darüber sprechen?«
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
    Ich wußte, daß sie Trost benötigte, daß sie ihn bei mir suchte, aber ich wußte nicht, wie ich sie trösten sollte. Ich wandte mich von ihr ab und starrte auf die ölige Schwärze des Sees hinaus. Verdammt, sie verursachte Kurzschlüsse in meinem logischen Denkvermögen. Sie war anders als alle Menschen, die ich je gekannt hatte, voll schwindelerregender Abgründe und dunkler Geheimnisse, und ich traute mich einfach nicht, auf sie so ungezwungen einzugehen wie auf jeden anderen. Ich kam mir wie ein Astronaut vor, der zum erstenmal Kontakt mit einem Außerirdischen aufnehmen soll und aufgrund ihrer Verschiedenheit gravierende Mißverständnisse befürchtet. Deshalb fühlte ich mich außerstande, irgend etwas zu tun, irgendwie zu reagieren. Ich sagte mir, daß es töricht gewesen war zu glauben, die kühle Atmosphäre zwischen uns ließe sich erwärmen, daß es idiotisch gewesen war, mir einzubilden, ich könnte eine enge Beziehung zu ihr herstellen, daß ich mit dieser Sache völlig überfordert wäre, daß diese Gewässer für mich viel zu dunkel und fremdartig wären, daß ich Rya nie verstehen würde und...
    Und dann küßte sie mich.
    Sie preßte ihre weichen Lippen auf die meinigen, ihr Mund öffnete sich mir, und ich erwiderte ihren Kuß mit nie gekannter Leidenschaft. Unsere Zungen schienen miteinander zu verschmelzen. Ich grub meine Hände in ihre herrlichen Haare, ließ sie durch meine Finger gleiten. Sie fühlten sich an wie Mondlicht, das man zu einem kühlen Seidenfaden gesponnen hat. Ich berührte ihr Gesicht, und ihre Haut elektrisierte mich förmlich. Meine Hände wanderten tiefer, strichen über ihren Hals, legten sich auf ihre Schultern, als unsere Küsse immer leidenschaftlicher wurden, wölbten sich schließlich um ihre vollen Brüste.
    Sie zitterte am ganzen Leibe, seit sie sich zu mir herübergebeugt hatte, um mich zu küssen. Ich spürte, daß das kein Beben erotischen Verlangens war, sondern Ausdruck ihrer Unsicherheit und Scheu, ihrer Angst, zurückgestoßen zu werden — Gefühle, die meinen eigenen sehr ähnlich waren. Plötzlich durchlief sie jedoch ein stärkerer Schauer. Sie löste sich von mir und murmelte: »Oh, verdammt!«
    »Was ist?« fragte ich atemlos.
    »Warum können...«
    »Ja?«
    »... zwei Menschen nicht...«
    »Ja?«
    Tränen liefen ihr jetzt über die Wangen, und ihre Stimme zitterte. »... einfach aufeinander zugehen...«
    »Das haben wir beide doch getan.«
    »... und jene Barriere beiseite schieben...«
    »Da ist keine Barriere. Jetzt nicht mehr.«
    Ich spürte ihre unsagbare Traurigkeit, ihre Einsamkeit, die einem Brunnen von unermeßlicher Tiefe vergleichbar war, ihre Absonderung, und ich befürchtete, daß diese Gefühle wieder überhandnehmen und zwischen uns jene Entfremdung bewirken würde, vor der ihr so graute.
    »Sie ist da... sie ist immer da... es ist immer so schwer, wirklich Kontakt zu finden... richtigen Kontakt...«
    »Es ist ganz einfach«, widersprach ich.
    »Nein.«
    »Wir haben schon mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt.«
    »... eine Schlucht... ein Abgrund...«
    »Sei still«, sagte ich zärtlich, zog sie wieder an mich und küßte sie.
    Wir küßten und liebkosten einander mit rasch zunehmender Leidenschaft, überstürzten

Weitere Kostenlose Bücher