Zwielicht
aber nichts, sondern kosteten jede Berührung voll aus. Obwohl wir bestimmt nicht länger als fünf oder zehn Minuten dort im Gras saßen, kam es mir so vor, als hielten wir uns schon tagelang in den Armen. Als sie sich mir wieder entzog, wollte ich protestieren, aber ihr »Schscht!« brachte mich sofort zum Schweigen. Sie sprang auf, schlüpfte ohne jenes enervierende Herumfummeln an Knöpfen, Haken und Reißverschlüssen, das sich so störend auf die Liebesglut auswirken kann, aus ihren Kleidern und stand völlig nackt vor mir.
Sogar bei Nacht in diesem dunklen Wald kam sie mir wie die Tochter der Sonne vor, denn Mondschein war nichts anderes als Reflexion des Sonnenlichts; und jeder Strahl dieses Sonnenlichts aus zweiter Hand fand nun seinen Weg zu ihr, verlieh ihrer Haut einen weichen Schimmer und zeichnete die Konturen ihres vollkommenen Körpers nach. Eros in einem fließenden Gewand aus Schwarz und Silber.
Sie schien wie ein himmlisches Wesen aus der Höhe zu mir herabzuschweben, als sie anmutig niederkniete und sich sodann ins dichte, weiche Gras legte.
Ich zog mich aus.
Ich liebkoste sie mit Händen, Lippen und Zunge und brachte sie zweimal zum Höhepunkt, noch bevor ich mich mit ihr vereinigte. Ich war kein großartiger Liebhaber — weit davon entfernt; meine sexuellen Erfahrungen waren beschränkt auf zwei Frauen von anderen Rummelplätzen. Aber mit Hilfe meines sechsten Sinnes schien ich immer zu wissen, was heimlich ersehnt wurde, was größte Lust bereitete.
Schließlich spreizte ich ihre schlanken Schenkel und drang in sie ein. Dieser Augenblick der Penetration war wie sonst auch, ein Akt anatomischer Mechanik, doch sobald wir vereint waren, war nichts mehr wie sonst; die Mechanik verwandelte sich in Mystizismus, und wir verschmolzen zu einem einzigen Organismus, strebten instinktiv eine geheimnisvolle, aber verzweifelt ersehnte Apotheose von Leib und Seele an. Unser wechselseitiges Einfühlungsvermögen grenzte ans Wunderbare. Keine störende Bewegung, kein falsches Wort — nichts störte den erstaunlich abwechslungsreichen Rhythmus unserer Leidenschaft, bis wir die vollkommene Harmonie erreichten und dann sogar übertrafen. Die Welt versank. Wir waren eins. Wir waren alles. Wir waren einzig.
In diesem erhabenen, fast heiligen Zustand kam mir die Ejakulation nicht wie ein natürlicher Schlußpunkt unserer Vereinigung vor, sondern wie ein Affront, wie ein roher Einfall primitiver Biologie. Aber sie war unvermeidbar. Und sie ließ sich nicht einmal lange hinauszögern. Ich war höchstens vier oder fünf Minuten in ihr, als sich die bevorstehende Eruption ankündigte. Verlegen wollte ich mich zurückziehen, aber sie umschlang mich nur noch enger mit Armen und Beinen. Ich keuchte eine Warnung, worauf sie flüsterte: »Das macht nichts, Slim, das macht nichts... ich kann sowieso keine Kinder bekommen... keine Kinder... bleib bei mir, Liebling, bleib in mir... füll mich ganz aus...« Bei den letzten Worten kam sie wieder zum Höhepunkt, wölbte sich mir entgegen, preßte ihre Brüste an meine Brust, wurde von lustvollen Schauern geschüttelt, und plötzlich schossen Spermaströme aus mir hervor und ergossen sich in ihren Leib.
Es dauerte lange, bis wir die Welt um uns herum wieder wahrnahmen, und wir trennten uns nur widerwillig voneinander. Doch schließlich lagen wir Seite an Seite da, hielten uns bei den Händen und blickten zum Nachthimmel empor. Wir schwiegen, denn alles, was gesagt werden mußte, hatten wir bereits gesagt, ohne Zuflucht zu Worten nehmen zu müssen.
Mindestens fünf lange Minuten vergingen, bevor sie fragte: »Wer bist du, Slim MacKenzie?«
»Einfach ich.«
»Etwas ganz Besonderes.«
»Machst du Witze? Etwas Besonderes? Ich konnte mich ja nicht einmal beherrschen. Bin explodiert wie ein Feuerwerkskörper! Mein Gott! Aber ich verspreche dir, daß ich mich beim nächstenmal mehr unter Kontrolle haben werde. Ich bin kein großartiger Liebhaber, kein Casanova, soviel steht fest, aber normalerweise bin ich doch ausdauernder als...«
»Nicht«, unterbrach sie mich leise. »Red nicht abfällig darüber. Tu nicht so, als wäre es nicht das natürlichste, erregendste Erlebnis deines Lebens gewesen. Denn das war es. Jedenfalls für mich. Es war vollkommen.«
»Aber ich...«
»Es hat lange genug gedauert, glaub mir. Und jetzt sei still.«
Ich war still.
Die filigranartigen Wolken waren verschwunden. Der Himmel war kristallklar, der Mond eine leuchtende Scheibe.
Dieser
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