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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vom Wind gepeitscht, mit wild flatternden Haaren. Ihre Füße glitten plötzlich aus, und sie hing nur noch an den Händen; ihr ganzes Gewicht hing an den zarten Armen, während sie verzweifelt strampelte, um den Träger wiederzufinden, der ihr als Fußstütze gedient hatte.
    Ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf, hielt den Atem an und starrte mit zurückgeworfenem Kopf in die Höhe, das Gesicht voll dem prasselnden Regen ausgesetzt.
    Ich war verrückt gewesen, ihr diese Kletterpartie zu erlauben.
    Hier würde sie sterben.
    Das war es, wovor meine Vision mich gewarnt hatte. Ich hätte es ihr sagen sollen. Ich hätte sie zurückhalten müssen.
    Trotz ihrer prekären Situation, obwohl ihre Arme wahnsinnig schmerzen mußten und aus den Schultergelenken gerissen zu werden drohten, glaubte ich sie dort oben lachen zu hören. Im nächsten Moment redete ich mir ein, es wäre nur der Wind gewesen, der durch das Metallgerüst heulte. Es mußte der Wind gewesen sein. Bestimmt...
    Ein neuer Blitz tauchte den Rummelplatz in blendendes Licht und ließ das Riesenrad in allen Einzelheiten erstrahlen. Ich war im ersten Moment davon überzeugt, daß er in die Metallkonstruktion eingeschlagen hatte, daß eine Billion Volt Ryas Fleisch bis auf die Knochen versengt hatte, doch dann sah ich, daß sie nicht nur lebte, sondern auch wieder Halt unter den Füßen hatte und den Abstieg fortsetzte.
    Ich wölbte meine Hand vor dem Mund und schrie ihr zu: »Beeil dich!«
    Mein rasendes Herzklopfen ließ auch nicht nach, als die Gefahr eines tödlichen Absturzes sich stetig verringerte, je tiefer sie kam. Jeden Moment konnte das Gewitter sie mit dem glühenden, verzehrenden Kuß des Blitzes doch noch besiegen.
    Schließlich war sie nur noch etwa zweieinhalb Meter vom Boden entfernt und drehte sich gerade nach außen, in der Absicht hinabzuspringen, als dicht hinter dem Jahrmarktgelände, kaum 50 Meter entfernt, ein Blitz in die Erde fuhr wie ein Flammenspeer. Das ohrenbetäubende Krachen schien sie vom Rad zu schleudern. Sie landete auf den Füßen, taumelte und wäre gestürzt, wenn ich sie nicht aufgefangen hätte. Sie schlang ihre Arme um mich, und wir hielten einander umklammert, zitternd, außerstande, uns zu bewegen und zu sprechen, kaum fähig zu atmen.
    Wieder schoß eine Feuerzunge vom Himmel zur Erde hinab, und diesmal wurde das Riesenrad endlich getroffen, die ganze Metallkonstruktion schien für Sekunden in Flammen zu stehen und mit Juwelen geschmückt zu sein, bis die mörderische Kraft in die Erde abgeleitet wurde.
    Der Regen wurde zu einem Wolkenbruch, zur regelrechten Sintflut. Er trommelte auf die Zeltwände, erzeugte auf verschiedenen Metallen eine Vielfalt von Tönen, die der Wind mit seinem Heulen und Brausen untermalte.
    Wir rannten durch den Morast auf die Wohnwagenstadt zu, verfolgt von einem Monster mit schnellen Spinnenbeinen und Krebszangen, einem Monster namens Elektrizität, das uns dicht auf den Fersen zu sein schien. Erst als die Tür von Ryas Airstream hinter uns ins Schloß fiel, fühlten wir uns in Sicherheit.
    »Das war verrückt!« sagte ich.
    »Schscht.«
    »Warum wolltest du unbedingt oben bleiben, als das Gewitter immer näher kam?«
    »Schscht«, flüsterte sie wieder.
    »Hältst du das für einen Spaß? Ist das deine Vorstellung von Spaß?«
    Sie hatte zwei Gläser und eine Flasche Brandy aus einem Küchenschrank geholt und ging lächelnd ins Schlafzimmer, Pfützen auf dem Boden hinterlassend.
    Ich folgte ihr. »Macht dir so etwas Spaß?«
    Sie schenkte den Brandy ein und reichte mir ein Glas.
    Es schlug klirrend gegen meine Zähne. Der Brandy rann mir heiß durch die Kehle und brannte in meinem Magen.
    Rya zog ihre durchweichten Turnschuhe und Socken aus und schlüpfte aus dem nassen T-Shirt. Wassertropfen schimmerten auf ihren nackten Armen, Schultern und Brüsten.
    »Du könntest jetzt tot sein«, sagte ich.
    Sie legte ihre Shorts und ihren Slip ab, trank einen Schluck Brandy und kam auf mich zu.
    »Verdammt, hast du vielleicht gehofft, getötet zu werden?«
    »Schscht«, sagte sie wieder.
    Ich zitterte wie Espenlaub.
    Sie wirkte ganz ruhig. Falls sie während des Abstiegs Angst gehabt hatte, war die Furcht von ihr gewichen, sobald sie festen Boden unter den Füßen spürte.
    »Was ist nur mit dir los?« fragte ich.
    Sie begann mich zu entkleiden.
    »Nicht jetzt«, sagte ich. »Dies ist kein geeigneter Zeitpunkt...«
    »Es ist der perfekte Zeitpunkt«, widersprach sie.
    »Ich bin nicht in der

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