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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ändern.«
    Ja, das stimmt, dachte ich, aber an der Zukunft vermag ich manchmal etwas zu ändern, indem ich Gefahren vorhersehen und sie meiden kann. Und ich hoffe bei Gott, daß ich für dich da sein kann, wenn du mich brauchst.
    Sie flüsterte: »Ich habe das alles nie...«
    »Jemandem erzählt?«
    »Nie.«
    »Bei mir ist dieses Geheimnis gut aufgehoben.«
    »Das weiß ich. Aber... warum habe ich es ausgerechnet dir erzählt?«
    »Ich war zur richtigen Zeit hier«, sagte ich.
    »Nein. Es ist mehr als nur das.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte sie, lehnte sich etwas zurück und schaute mir in die Augen. »Du bist irgendwie anders... du hast etwas Besonderes an dir.«
    »Ich doch nicht«, murmelte ich unbehaglich.
    »Deine Augen sind so schön und ungewöhnlich. Sie geben mir ein Gefühl der Sicherheit. Du strahlst solche Ruhe aus... Nein, Ruhe ist nicht das richtige Wort... ganz ruhig bist auch du nicht. Aber stark. Du hast soviel innere Kraft. Und du bist so verständnisvoll. Aber es ist mehr als nur Kraft und Verständnis und Mitgefühl. Es ist etwas... etwas ganz Besonderes.. . etwas Undefinierbares.«
    »Du machst mich ganz verlegen«, sagte ich,
    »Wie alt bist du, Slim MacKenzie?«
    »Das weißt du doch... siebzehn.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Älter.«
    »Sag mir die Wahrheit.«
    »Also gut. Siebzehneinhalb.«
    »Wenn wir uns der Wahrheit mit winzigen Schritten von halben Jahren nähern, brauchen wir dazu die ganze Nacht. Deshalb sage ich dir jetzt, wie alt du bist. Ich weiß es nämlich. Deiner Stärke, deiner Ruhe und deinen Augen nach zu schließen würde ich sagen... du bist hundert und hast eine hundertjährige Erfahrung.«
    »Im September werde ich hunderteins«, lächelte ich.
    »Verrat mir ein Geheimnis.«
    »Ich habe keins.«
    »Komm, erzähl's mir.«
    »Ich bin ein Vagabund, weiter nichts. Du willst nur deshalb mehr in mir sehen, weil wir uns die Dinge immer besser und edler und interessanter wünschen, als sie in Wirklichkeit sind. Aber ich bin nur ich.«
    »Slim MacKenzie.«
    »Stimmt genau«, log ich. Ich konnte mir selbst nicht erklären, warum ich mich ihr nicht anvertrauen wollte, so wie sie sich umgekehrt mir anvertraut hatte. Ich war tatsächlich verlegen, aber nicht wegen ihrer hohen Meinung von mir, sondern weil ich sie täuschte. »Slim MacKenzie. Keine dunklen Geheimnisse. Ein langweiliger Kerl, um ganz ehrlich zu sein. Aber du hast noch nicht zu Ende erzählt. Was geschah, nachdem du ihn umgebracht hattest?«
    Schweigen. Sie wollte sich nicht wieder jenen schrecklichen Erinnerungen zuwenden. Doch dann fuhr sie fort: »Ich war erst elf, deshalb kam ich nicht ins Gefängnis. Als die Polizei erfuhr, was sich in unserem Haus abgespielt hatte, sagten sie sogar, ich sei das Opfer.«
    »Das warst du ja auch.«
    »Sie nahmen meiner Mutter alle Kinder weg und brachten uns an verschiedenen Orten unter. Ich habe keines meiner Halbgeschwister jemals wiedergesehen. Ich selbst kam in ein staatliches Waisenhaus.«
    Plötzlich spürte ich, daß es ein weiteres schreckliches Geheimnis in ihrem Leben gab, und ich wußte mit hellseherischer Gewißheit, daß im Waisenhaus etwas mindestens so Grauenvolles geschehen war wie in ihrem sogenannten Elternhaus. »Und?« fragte ich.
    Sie schaute zur Seite und griff nach ihrem Glas. »Ich bin von dort weggerannt, als ich vierzehn war. Ich sah älter aus. Ich war frühreif, wie meine Mutter. Deshalb hatte ich keine Schwierigkeiten, auf dem Rummelplatz unterzukommen. Ich nahm den Namen ›Raines‹ an, weil... na ja, ich habe Regen immer geliebt, ihn gern gesehen und gehört... Seitdem bin ich immer hier gewesen.«
    »Und versuchst ein Imperium aufzubauen.«
    »Ja. Um mir zu beweisen, daß ich etwas wert bin.«
    »Das bist du«, versicherte ich ihr.
    »Ich meine das nicht nur in bezug auf Geld.«
    »Ich auch nicht.«
    »Obwohl das Geld auch eine wichtige Rolle spielt. Denn seit ich auf eigenen Beinen stehe, habe ich mir geschworen, nie wieder arm zu sein... nie wieder ganz unten zu landen. Ich werde mir mein kleines Imperium aufbauen, wie du sagst, und ich werde immer jemand sein.«
    Es war leicht zu verstehen, daß ein jahrelang mißbrauchtes Kind mit dem Gefühl heranwuchs, wertlos zu sein, und daß es deshalb von Erfolg und Vorankommen geradezu besessen war. Ich konnte das gut verstehen, und ich konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen, daß sie sich zu einer harten Geschäftsfrau entwickelt hatte. Wenn sie ihren ohnmächtigen Zorn nicht in diese

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