Zwielicht
real gewesen war. Doch sie hatte ihr Volk – und ihre eigenen Verpflichtungen in der Gegenwart – durch ihre Reise besser zu schätzen gelernt. Ihr Vertrauen in die Propheten und in den Weg, den diese für sie ausgewählt hatten, war auf eine Weise gefestigt worden, die Kira erst bewusst gemacht hatte, wie sehr sie es brauchte. Als sie nach DS9 zurückkehrte, war ihr Wille, ihrem Volk durch diese unruhige Zeit zu helfen, stärker denn je gewesen.
Trotz des Urteils.
Ihr Glaube und ihr Verständnis von Religion machten es ihr un-möglich, die Strafe der Vedek-Versammlung infrage zu stellen. Ironie des Schicksals, hatte doch ein solcher Übertritt – das Handeln gegen den ausdrücklichen Willen Vedek Yevir Linjarins – erst zu der Bestrafung geführt. Die Vedeks hatten das bei Ausgrabungen in B’hala entdeckte prophetische Buch Ohalu als falsch abgetan, doch Kira waren Zweifel an dieser Einschätzung gekommen. Überzeugt davon, das bajoranische Volk könne für sich selbst entscheiden, hatte sie eine Volltextübersetzung des Buches ins Komm-Netzwerk gestellt und sich dadurch Yevirs Plan, die Existenz der antiken Schrift zu verschweigen, widersetzt. Weil es in ihren Augen so richtig war, richtig für ihr Volk. Nun gegen die Strafe zu verstoßen, wäre jedoch nur für eine Person richtig – Kira selbst. Das war zu wenig, um die Anordnungen der Vedeks zu missachten.
Kira ging zum Replikator, der neben ihrem Tisch in die Wand eingelassen war. » Raktajino «, sagte sie. »Extra heiß, mit doppelt Kava .«
Das Gerät erwachte summend zum Leben, und in seinem funkeln-den Glanz erschien eine Tasse des klingonischen Heißgetränks in der dafür vorgesehenen Öffnung. Kira umschloss den Griff mit ihren Fingern und hob die Tasse zum Mund. Dampfschwaden brachten das starke Aroma der schwarzen Flüssigkeit an ihre Nase. Sie nippte, und schon floss das süße Gebräu ihren Rachen hinab, stärkend und belebend.
Plötzlich musste sie an Etana Kol denken und lächelte. Kol, ein Sergeant in der Sicherheitsabteilung der Station, behauptete oft, Kiras innere Organe müssten aus Rodinium gefertigt sein, um derartige Mengen heißer Getränke zu verkraften. Sie wiederum reagierte meist damit, eine Vorliebe für Warpplasma, Phaserfeuer oder der-gleichen vorzutäuschen. Der Austausch war schon zum Ritual geworden, wann immer sich die beiden Frauen nach dem Tempeldienst zum Essen im Replimat trafen.
Tempeldienst.
Mehr als ein Monat war vergangen, seit Kira mit anderen Bajoranern gebetet hatte. Auch das war ihr verboten. Und obwohl sie gewillt war, diese Last mit Würde und Stärke zu tragen, konnte sie nicht verleugnen, wie sehr es ihr fehlte, den Tempel zu besuchen und in der Gesellschaft von Personen zu sein, die wussten, was sie wusste. Glaubten, was sie glaubte. Sie vermisste nicht allein das Gebet. Da waren die Drehkörpererfahrungen, die Glaubensgespräche mit Vedeks und Prylaren … Sogar ihr Ohrring fehlte ihr.
Kira trat zu ihrem Tisch, die Hand reflexartig zum rechten Ohr erhoben, stellte den Raktajino neben die Bedienoberfläche des Computers und nahm Platz. Wie seltsam es doch war, das nackte Ohrläppchen unter den Fingerspitzen zu fühlen. Fast kam sie sich vor, als habe sie ihr Quartier ohne korrekte Kleidung verlassen.
Dann schüttelte sie den Kopf, vertrieb die Gedanken und ließ die Hand lautstark auf den Tisch fallen. Es half nichts, über die Lücken in ihrem Leben zu sinnieren. Sie sollte an das denken, was ihr geblieben war, sich auf die Richtung ihres Daseins konzentrieren, die sie eingeschlagen hatte.
Kira aktivierte den Computer und rief ihre Aufgabenliste für den Tag auf. Am Vormittag standen keine Termine an – sie hatte die Stabsbesprechung ein paar Stunden nach hinten verschoben –, doch der Nachmittag würde stressig werden. Auf das Treffen mit den Führungsoffizieren folgte die wöchentliche Sprechstunde für das gesamte Personal der Station. Und dann … Nun, wer wusste schon, wie lange Quark diesen Monat über die Wünsche und Wehwehchen der Vereinigung der Promenadenhändler referieren wollte?
Stichwort Quark: Kira musste unbedingt noch mit Ro über ihren gemeinsamen Ausflug nach Farius Prime sprechen. Zwar hatte sie Ros vorläufigen Bericht über ihre Vereitelung eines Verkaufsge-sprächs, das die Petraw – wer immer sie sein mochten – und das Orion-Syndikat bezüglich der Portale geführt hatten, gelesen, doch blieben noch Fragen über Ros Rolle als Undercover-Agentin. Immerhin hat sie
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