Zwielicht
Botschaft auf, eine schriftliche Bitte um die Erlaubnis, den Fußverkehr auf dem Promenadendeck einschränken zu dürfen. Ro listete mehrere Gründe auf, doch Kira stimmte ihr ohnehin zu. Deep Space 9 war ein stark frequentierter Ort. Doch nun war das Limit so gut wie erreicht. Knapp fünf Monate nach dem Krieg gegen das Dominion normalisierte sich die Wirtschaft allmählich, Handelsrouten wurden wieder eröffnet – wenngleich noch nicht durch das Wurmloch –, und die Station koordinierte eine Reihe von Hilfsmaßnahmen für Cardassia sowie seit Neuestem auch für Europa Nova. Auch wenn sich der Großteil der europanischen Flüchtlinge auf Bajor aufhielt, waren doch mehrere Tausend auf DS9
verblieben. Von den Besatzungen der Schiffe, mit denen die Europani ihre Welt in Kürze wieder besiedeln wollten, ganz zu schweigen.
Kira drehte sich mit ihrem Sessel herum und schaute aus dem großen, ovalen Fenster hinter ihrem Tisch. Dort draußen waren mindestens ein Dutzend Schiffe, und keines glich dem anderen. Einige stammten von Bajor, die meisten aber nicht einmal aus diesem System. Ros Reaktion auf den ganzen Betrieb hatte in einer Verstärkung der Sicherheitspräsenz bestanden, und Kira begrüßte dies.
Sie leistet gute Arbeit , dachte die Kommandantin und wandte sich wieder ihrem Schreibtisch zu. Zu Beginn war sie von Ro wenig begeistert gewesen, doch die neue Sicherheitschefin hatte durch Taten überzeugt. Mittlerweile war die Beziehung der beiden Frauen zueinander professionell und von gegenseitigem Respekt geprägt.
Ro zufolge waren auch der Tempel und der Drehkörper der Erinnerung von dem Betrieb auf der Promenade betroffen. Je weiter sich die Kunde von der Rückkehr des Drehkörpers verbreitete, desto mehr Bajoraner pilgerten zur Station, um ihn zu sehen. Früher oder später würde er nach Bajor gebracht werden, wo die Vedek-Versammlung derzeit einen angemessenen Aufbewahrungsort errichten ließ. In den vergangenen Tagen hatte die Zahl der bajoranischen Sta-tionsbesucher jedenfalls drastisch zugenommen.
Kira sah quer durch den Raum zu Als die Propheten weinten . Ihr Drang, das Buch zu konsultieren, war nicht aus dem Wunsch nach persönlicher Orientierung geboren gewesen, sondern weil sie gehofft hatte, in ihm den Weg durch diese turbulenten Zeiten zu finden. In den letzten Monaten waren auf Bajor dramatische Dinge geschehen: das Schicksal des Abgesandten, der Tod der Kai, die Vertreibung der Pah-Geister, die Entdeckung der Ohalu-Schrift. Kira hatte sich gefragt, ob eine neue Ära hereinbrach. Mehrere Quellen prophezeiten eine Zeit des Triumphes für das bajoranische Volk, doch laut gängigen Interpretationsversuchen lag diese – sofern sie je wahr wurde – noch in weiter Ferne. Die Ankunft des Drehkörpers der Erinnerung war Kira wie der Beginn dieser Zukunft erschienen.
Sie führte die Tasse zum Mund, erhob sich von ihrem Sessel und ging zum Replikator, wo sie den kalt gewordenen Raktajino abstellte.
Ein Knopfdruck, und die Tasse wurde recycelt – ein Netz aus Licht-strahlen verschluckte sie und wandelte sie in Energie und Rohmate-rialien um. Sobald sie fort war, bestellte Kira erneut. » Raktajino. Extra heiß, mit doppelt Kava .«
Das Gerät summte los, aber sie wandte sich zu Als die Propheten weinten um.
Der Titel spielte auf die Drehkörper an, die zu Vedek Syntas Zeit als Tränen der Propheten bekannt gewesen waren. Im bajoranischen Glauben stellten sie eine indirekte Verbindung zu den Propheten dar. In Syntas Tagen hatte man sieben gekannt, seitdem waren drei weitere gefunden worden. Im Laufe der vergangenen Jahre waren mehr und mehr von ihnen nach Bajor gelangt, ganz wie es Vedek Synta vorhergesagt hatte. Ihr zufolge mochte dies der Beginn der Restauration und eines goldenen Zeitalters für Bajor sein.
Vor knapp vier Jahren hatte der Drehkörper der Weisheit den Weg nach Hause gefunden. Der Große Nagus der Ferengi hatte ihn auf dem cardassianischen Schwarzmarkt erworben und ihn an die Bajoraner verkauft. Erst kürzlich stieß Commander Vaughn auf einem havarierten cardassianischen Frachter auf den Drehkörper der Erinnerung, wodurch das bajoranische Volk zum ersten Mal in Kiras Leben fünf der Artefakte besaß.
Kira nahm die neue Tasse, blieb aber noch stehen und dachte an Vedek Syntas Werk. Wie oft hatte sie als Kind im Schneidersitz mit dem Buch auf den Schenkeln auf irgendwelchen Böden gehockt und die brüchigen Seiten umgeblättert? Ob als Kind, als Jugendliche, im Lager von Singha
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