Zwielicht
Arme zu Boden sinken.
Als Prynn einen Vater gebraucht hatte, hatte er sie im Stich gelassen
– und der Gedanke, sie nun abermals und vielleicht sogar für immer verloren zu haben, erdrückte ihn nahezu. Er durfte nicht zulassen, dass es so weit kam. Er durfte es nicht.
Von diesen Gedanken getrieben, fiel Elias Vaughn in einen ruhelo-sen Schlaf voller Träume aus der Vergangenheit. Seiner und der anderer.
Kapitel 56
Kira schlüpfte aus ihrem Oberteil und seufzte erleichtert. Seit sie auf DS9 war, hatte sie schon oft daran gedacht, die Jacke der Galauniform ändern zu lassen, damit sie bequemer war. Doch der Gedanke, Garak könne ihre Kleider anfassen, hatte sie stets davon abgehalten.
Nun, da der ehemalige Schneider wieder auf Cardassia lebte, hatte sich eine bajoranische Kollegin – Hatram Irgendwas – auf der Promenade niedergelassen und war sogar klug genug gewesen, einen Bogen um Garaks altes Geschäft zu machen, das offenbar niemand anmieten wollte. Ich muss sie echt mal vorbeibringen , dachte Kira und strich über den Stoff, während ihr gleichzeitig bewusst war, dass sie es nie tun würde. Garak hatte ihr nur als Vorwand gedient. In Wahrheit machte sie einfach einen Bogen um Details wie dieses, und ihr Werdegang hatte sie gelehrt, weit größere Unannehmlichkeiten zu meistern.
Außerdem muss ich sie vielleicht nie wieder tragen. Falls Bajor sich der Föderation anschloss, standen für Anlässe wie dem heutigen Uniformen der Sternenflotte auf dem Plan. Ob diese komfortabler als die des bajoranischen Militärs waren, blieb abzuwarten.
Kira setzte sich aufs Bett, schlüpfte aus ihrer Hose und lächelte.
Hatte sie etwa gerade unbewusst eine Entscheidung getroffen? Die bajoranische Föderationsmitgliedschaft bedeutete, dass das Militär in der Flotte aufging – aber obwohl die Konferenz schon morgen begann, hatte sie nie bedacht, was dies für ihre Karriere bedeuten mochte. Sie hatte sich nach Akaars entsprechenden Bemerkungen zwar mit Ros Zukunft befasst, aber nie mit der eigenen. Dabei lag es doch auf der Hand: So sehr sie ihre Zeit als Erster Offizier DS9s genossen hatte, war dieses halbe Jahr als Kommandantin noch erfüllender gewesen. Vedek Yevir hin oder her, glaubte sie, Bajor gut zu dienen – und sie wollte das fortführen, ob als Mitglied des Militärs oder der Sternenflotte. In den letzten Kriegswochen hatten Admiral Ross und Captain Sisko ihr eine Flottenuniform zugewiesen, und sie hatte gepasst wie angegossen.
Kira zog sich aus und schlüpfte in ein enganliegendes, goldfarbenes Seidengewand, das kühl auf ihrer Haut lag. Dann trat sie ins Wohnzimmer. Der Tag war lang und anstrengend gewesen – wann waren sie das nicht? –, und sie sehnte sich nach einem Moment innerer Ausgeglichenheit.
Auf ihrem kleinen Schrein entzündete sie eine Kerze, nahm im Schneidersitz davor Platz und konzentrierte sich minutenlang auf die Flamme, wie hypnotisiert von deren sanften, einlullenden Bewegungen. Dann schloss sie die Augen und versuchte, ihren Geist zu leeren. Anstelle der Flamme stellte sie sich das blau-weiße Rad aus Licht vor, das das Tor des Himmlischen Tempels war, und strebte danach, sich in dem Bild zu verlieren. Nach und nach löste sich die Spannung aus ihrem Körper wie vor der Morgensonne weichender Frost.
Den Propheten sei Dank, dass man mir das nicht auch genommen hat.
Yevir und die anderen Drahtzieher ihrer Befleckung hatten es nicht gekonnt. Wie auch? Kira sprach tagtäglich zu den Propheten, und längst nicht immer so geordnet wie nun. Wo sie ging und stand, befand sie sich im Dialog mit Bajors Göttern. Ihr ganzes Leben schon.
Das hatte sie durch einige dunkle Zeiten getragen. Die Vedek-Versammlung mochte ihr verbieten, mit anderen Bajoranern zu beten und die heiligen Schriften zu studieren, aber sie kontrollierte nicht ihr Herz.
Kira vermisste die Stunden im Tempel und das Lesen der verehr-ten Worte. Sie hatte sie so oft betrachtet, dass sie sie fast auswendig kannte – Nur fast? , dachte sie –, und doch blieb es etwas ganz anderes, die Bücher in Händen zu halten und die Worte zu sehen.
Wieder war ihr, als stünden ihrem Volk kritische Tage bevor. Dass Akaar in ihnen etwas zu sagen haben würde, verunsicherte sie.
Noch immer verstand sie nicht, was sie in sein »bajoranische Gastfreundschaft« von vorhin hineininterpretieren sollte. Er hatte wiederholt, was sie zu Botschafterin Lent gesagt hatte. Das mochte Zufall sein, aber hatte er es wohlwollend oder sarkastisch
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