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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David R. George III
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gemeinsam war, dass sie Momente seines Lebens bezeichneten. Sie waren auch – von Captain Harriman über Prynn bis hin zu seiner Mutter – Momente der persönlichen Trauer und des Verlustes. Momente, die die Inamuri mittels der Energiewolken wiedererschaffen hatten. Sie mussten irgendwie Zugang zu seinem Gedächtnis haben.
    Vaughn wusste noch, wie er aufgewacht und überzeugt gewesen war, anderer Leute Träume geträumt zu haben. Ob das ein Hinweis auf eine mentale oder emotionale Verbindung – eine Verschmelzung
    – mit den Inamuri gewesen war? Doch er hatte auch Prynns und ch’Thanes Träume zu träumen geglaubt, von daher war vielleicht diese gesamte Welt mit den Inamuri verbunden, eins durch die sie umgebende Energie. Vaughn erinnerte sich an das hohe Geräusch, das er als Stimme der Wolken betitelt hatte. Damit schien er der Wahrheit überraschend nahe gekommen zu sein.

    Zehn Meter bis zur nächsten Stelle. Das Gerät aktivieren und ab-setzen.
    Vaughn umrundete den Wirbel, bahnte sich einen Weg durch den Nebel und dachte an die Mechanismen der Neuerschaffung seiner Vergangenheit. Die Energie der Wolken hatte der hiesigen Materie eine andere Form verliehen, aber die Frage blieb: Warum? Hatten Vaughns Erinnerungen eine Art Angriff sein sollen? Ein Kommuni-kationsversuch? Und falls er …
    Die Erkenntnis schlich sich nur langsam in seinen Geist, doch als sie da war, fiel er auf die Knie und hielt sich die Hände an die Schlä-
    fen. Er fühlte sich, als habe jemand sein Bewusstsein mit einer Axt gespalten.
    Der Nebel! Er begriff sofort und wusste doch, dass das Wissen nicht nur sein eigenes war. Der Nebel war ebenfalls eine Ausdeh-nung, ein Teil der Verbindung zwischen der Schnittstelle und dem Gedankenraum. Und er stand mittendrin, fühlte eine schwache Verbindung zu …
    Die Inamuri.
    Plötzlich verstand er alles. Die Inamuri versuchten gar nicht, durch die Schnittstelle in dieses Universum zu gelangen, auch wenn sie das letzten Endes tun würden. Sie schickten die Energiewolken über die Schwelle, und die Menge der Energie, die durch die ver-gleichsweise kleine Öffnung drang, führte zu Entladungen. Führte zum Impuls. Das Wolkenmeer war der Versuch, die Oberfläche dieses Planeten umzugestalten – in eine Welt, die die Inamuri bewoh-nen konnten.
    »Warum?«, fragte Vaughn laut. »Warum?«
    Während er immer noch nach Antworten suchte, erhob er sich. Er musste weiter. Du hast eine Aufgabe , erinnerte er sich.
    Dennoch gab er nicht auf. Warum? , fragte er die Inamuri in Gedanken. Warum Ereignisse aus meinem Leben? Warum Momente der Trauer und des Verlustes?
    Weil die Inamuri Verlust kannten, begriff er. Weil sie Einsamkeit kannten. Die Momente seines Lebens waren entweder Versuche der Kommunikation oder Manifestationen fremder Gedanken und Ge-fühle.
    Es , dachte Vaughn. Nicht sie. Der Gedankenraum, die Inamuri – sie waren kein Volk, sondern ein Einzelwesen. Eines, das nur die Realität seines »Taschenuniversums« kannte, um Dax’ Begriff zu verwenden. Nicht mehr als diese.
    Bis zu dem Tag, als die Prentara ihre Technik – ihren Geist – mit ihm verbanden. Sie waren in den Verstand eines lebenden Wesens eingedrungen.
    Vaughn sah den ersten Sprengsatz, den er platziert hatte, vor sich und drehte sich zum vorherigen um. Er war einmal rum. Langsam zog er das letzte der Objekte aus seinem Beutel, aktivierte es und setzte es ab.
    In der Hocke besah er sich die Szenerie durch den Nebel, die interdimensionalen Sprengkörper rings um die Schnittstelle. Dann wanderte sein Blick auf die wirbelnde, bebende Fläche, die so sehr dem Wolkenmeer ähnelte. Die Prentara waren in den Raum des Inamuri eingedrungen, und das Inamuri hatte erfahren, dass es andere Wesen gab, andere Existenzen. In gewisser Weise hatten die Prentara es gerettet, indem sie Wissen und Überraschung in sein einsames Dasein brachten. Seitdem versuchte es, in Kontakt mit ihnen zu treten und verstand nicht, dass seine Versuche, in diese Realität vorzusto-
    ßen, große Zerstörung mit sich brachten. Nach dem ersten Energieimpuls waren die Prentara von der Öffnung zurückgewichen und hatten das Inamuri abermals allein gelassen.
    Nein , dachte Vaughn. Nicht abermals. Der Gedankenraum war nie zuvor allein gewesen, weil es den Begriff in ihm vorher nicht gegeben hatte. Das Inamuri hatte das Konzept nicht gekannt, es lag au-
    ßerhalb seiner Vorstellung. Doch dann hatte es erfahren, was Einsamkeit war. Nun wollte es hierher übersiedeln, andere

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