Zwielicht
Wesen finden.
Und Vaughn stand bereit, seinen Durchgang zu schließen. Es allein zu lassen. Für immer.
Die Entscheidung war schwer gewesen, doch sie stand. Vom Rand der Fläche aus schaute Vaughn ins Zentrum des Wirbels. In fünfzehn Minuten würden Nogs interdimensionale Bomben hochgehen.
Selbst wenn er seine Meinung noch änderte, reichte die Zeit nicht aus, um seine Handlungen ungeschehen zu machen.
Er dachte an Prynn. Sie hatte stets geglaubt, ihrer Mutter zu ähneln, und er sah das genauso. In ihr war viel von Ruriko, aber, so verstand er nun, auch viel von ihm. Das mochte ein Nachteil für sie sein, doch ihm brachte es jetzt ein wenig Frieden. Er war stolz auf seine Tochter, liebte sie. Und er hoffte, dass seine letzte Tat zu ihrer Rettung beitragen würde – irgendwie. Es war ein gewagtes Unterfangen, aber Vaughn spürte, dass er mit dem Inamuri sprechen und es dazu bringen konnte, Prynn und Shar zu retten, falls es in seiner Macht stand. Falls es gelang.
Prynn mochte überleben, aber er würde sie wieder verlassen haben. Er war ein Idiot gewesen, nicht zu sehen, wie sehr sie ihn nach Rurikos Tod gebraucht hatte. Er hatte zugelassen, dass sein Schuldgefühl seine väterlichen Pflichten überlagerte. Es war weder Trost noch Gnade, dass die Schuld gerechtfertigt war. Vaughn hatte als Vater versagt, und nun, da er dem Tod ins Auge sah, bedauerte er nur eines – es wieder tun zu müssen. Entweder starb Prynn mit ihm oder sie lebte ohne ihn.
Wieder sah er zur Zeitanzeige seines Trikorders. Noch dreizehn Minuten. Er drehte sich um und ging zum Korridor zurück, in dem er die Schnittstelle erstmals erblickt hatte, stieg über den Schutt und zwängte sich an der Metallstrebe vorbei. Seine Lampe stand noch da, wo er sie zurückgelassen hatte. Vaughn schaltete sie ein und ging die zwanzig Meter den Gang entlang, bis er zur Kreuzung kam.
Dort legte er seine Tasche auf den Boden und überprüfte die acht Sprengkörper, die er rund um den Wirbel entfernt hatte. Sie waren alle ausgeschaltet. Natürlich mochten sie hochgehen, sobald die Explosion der anderen sie erfasste, doch ohne Aktivierung würden sie nicht in andere Dimensionen übergehen. Der von Nog erhoffte Effekt würde ausbleiben, die Schnittstelle würde nicht geschlossen werden.
Vaughn erhob sich wieder, ließ Lampe und Bomben aber liegen.
Auf dem Rückweg zur Schnittstelle dachte er erneut an Michael Collins, der allein um den Mond geflogen war, und an die Energieströ-
me, die die Chaffee getroffen hatten. War all das ein Kontaktversuch des Inamuri gewesen? Vaughn war sich nicht sicher, ahnte aber, dass er, Dax und vielleicht sogar Prynn und ch’Thane mittels der diesen Planeten prägenden Energie auf irgendeine Weise mit ihm in Verbindung gestanden hatten. Dax war mit der Substanz auf der Defiant in Berührung gekommen. Er selbst hatte die Szenen der Vergangenheit durchlebt und sich durch den Nebel der Schnittstelle bewegt.
Er war kaum aus dem Gebäude getreten, da hielt er wieder auf den Wirbel zu. Laut seinem Trikorder würden die restlichen Sprengsätze in zwei Minuten detonieren. Schon jetzt sah er sie nach und nach in den Subraum oder andere Dimensionen übergehen.
Wäre er aufgebrochen, nachdem er sie ausgesetzt hatte, hätte er sich vielleicht noch vor den Auswirkungen der Detonationen retten können. Doch nun, da er die immense Einsamkeit des Inamuri verstand, weigerte er sich, dieses Wesen zu einer Ewigkeit im Nichts zu verdammen. Der letzte Tag hatte ihm gezeigt, wie gut er Trauer und Verlust kannte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, diesen Zustand andauernd ertragen zu müssen. Ohne Hoffnung auf Erlösung.
Vaughns Verbindung zum Inamuri war schwach, und doch ahnte er, was geschehen würde, sobald die Schnittstelle breiter war. Der Planet würde verwandelt werden, und das Inamuri in dieses Universum überwechseln. Dann konnte es mit anderen Wesen intera-gieren und war nicht länger isoliert.
Er wusste, welchem Risiko er Prynn und ch’Thane aussetzte, aber eine breitere Schnittstelle bedeutete keine weiteren Impulse. Die Defiant und die Vahni wären in Sicherheit. Und war das Inamuri erst einmal hier, würde es nie wieder einen Impuls geben. Was war schon ein einzelnes Leben im Austausch dafür?
Abermals sah Vaughn auf die Uhr. Dreißig Sekunden. Er warf den Trikorder beiseite und sah hinab in die wirbelnd-graue Oberfläche des Strudels.
Dann breitete er die Arme aus, atmete tief ein und sprang in den
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