Zwielicht
kauerte sich in ihre Deckung.
Warum habe ich mich nur darauf eingelassen? , fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Sie hasste Holosuiten doch. Es war eine Sache, nach einer Meditationsumgebung zu suchen, aber das hier … Simulation hin oder her – Kira fühlte sich elend. Seit ihrem Abstieg musste die Temperatur in dieser Schlucht um fünfzehn Grad gefallen sein. Mittlerweile hing ihr Atem in weißen Wölkchen vor ihrem Gesicht. Die bereits seit zwei Stunden schweißnasse Uniform schien nunmehr zehn Kilo zu wiegen, und der anfangs so erfrischende, relativ wohl-temperierte Regen prasselte nieder, als würde er geschleudert. Als wären sogar die dicken Tropfen Waffen in diesem bescheuerten Kampf.
Kira hielt inne und atmete durch. Der Regen, der rings um sie gna-denlos auf den Boden schlug, klang fast wie Applaus. Ich sollte mich verbeugen und all dem ein Ende machen , dachte sie. Zwar verhinderten die Sicherheitseinstellungen der Holosuite ernsthafte Verletzungen während eines Programmes, doch sie halfen nicht gegen den Mangel an Bequemlichkeit, den Kira verspürte.
Ein Blitz erhellte den Himmel, entriss die Szenerie der Dunkelheit und tauchte alles in ein unheimliches, blauweißes Licht. Kira wartete, bis die Finsternis zurückgekehrt war, beugte sich vor und sah um die Ecke des Felsens. Die Wolkendecke war so dicht, dass es fast nachtdunkel schien. Der hallende Donner klang näher als zuvor und erinnerte sie an die ebenfalls stetig näher kommenden Schlachtgeräusche aus den Tagen der Besatzung, an Granaten, Bomben, Ener-giewaffen. Selbst nach acht Jahren ohne cardassianische Herrschaft waren die Erinnerungen noch frisch – und unangenehmer als das Wetter.
Der Vorsprung, auf dem Kira kauerte, befand sich etwa fünf Meter über dem Boden an der Wand des Abhangs. Gegenüber und unter ihr konnte sie die Umrisse ihres Zieles ausmachen. »Sie verstecken sich in der Schlucht«, hatte Taran’atar sie vor Beginn der Simulation wissen lassen. »Und sie halten nach Verfolgern Ausschau.«
Kira nutzte die Blitze für ihre Erkundung. Bei jedem hellen Lichtstrahl am Himmel, konzentrierte sie ihren Blick auf einen anderen Bereich im Inneren der Schlucht. Soweit sie es ausmachen konnte, gab es dort weder Fahrzeuge noch Lebewesen noch ersichtliche Fallen. Vielleicht ist das ganze Gelände aber auch eine einzige Falle , dachte sie. So unwirtlich das Wetter sein mochte, die Landschaft übertraf es um Längen: Die Wände der Schlucht waren steil, und der Matsch sowie die losen Schiefersteinchen erschwerten den Abstieg zusätzlich. Obwohl sie lange gesucht hatte, war es Kira nicht gelungen, irgendeine Art Pfad hinab zu finden. Entsprechend glücklich schätzte sie sich, es überhaupt so weit geschafft zu haben.
Kira hob die Hände und wusch sich die Finger mit Regenwasser.
Abermals riss der Blitz die Szenerie aus der Dunkelheit. Hinter den Bäumen dort mochte sich etwas oder jemand verbergen, vermutete sie, auch wenn das Gebäude selbst das wahrscheinlichere Versteck darstellte. Wenn sie doch nur einen Trikorder oder Phaser bei sich hätte. Beide hätten ihr mehr Informationen gegeben – und neue Optionen. Doch stattdessen hatte sie Taran’atars Bitte befolgt und sich nur ein Messer genommen.
»Sie sind tot«, hatte der Jem’Hadar beim Betreten der Holosuite er-klärt, die Stimme noch tiefer und ernster als sonst. »Gehen Sie in die Schlacht, um Ihr Leben zurückzufordern.« Was für eine fremdartige Philosophie! Zwar hatte auch Kira oft um ihres oder das Leben anderer Wesen gekämpft, aber nie in der Annahme, selbiges sei bereits verloren. Dieser Perspektivenwechsel brachte eine unterschwellige Resignation mit sich, die sie nicht gerade hilfreich fand. Für den richtigen Anlass – und derer hatte es viele gegeben – war Kira stets bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Doch ging es ihr dabei instinktiv immer darum, am Leben zu bleiben – ein Leben, das sie nicht erst dem Tod aus den Klauen reißen musste.
»Der Sieg ist das Leben«, wiederholte sie das Mantra der Jem’Hadar laut, und ihr Atem schwebte vor ihr in der Luft. Momentan gäbe ich mich schon mit »Der Sieg ist Wärme« zufrieden. Die Feuchtigkeit und die Kälte ließen ihre Glieder schmerzen.
Kira studierte das Gebäude, so gut es ihr von ihrem Beobachtungs-posten aus möglich war. Es war klein und aus Stein gebaut, hatte ein relativ flaches Dach und wirkte irgendwie seltsam. Trotz einer Höhe und Breite von ungefähr drei Metern besaß es weder Türen
Weitere Kostenlose Bücher