Zwielicht
einen niedrigen, ovalen Tisch gruppiert waren. Prynn empfand Panik, als sie bemerkte, dass dort ein gerahmtes Bild ihrer Mutter stand. Ohne darüber nachzudenken, stützte sie sich auf der Armlehne ab, erhob sich und begab sich schnell zu ihm. Zu schnell. Der bisher stumpfe Schmerz wurde prompt stärker, und die Muskeln in ihrem Unterleib schienen aufgrund der plötzlichen Bewegung in Flammen zu stehen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Vaughn mit hörbarer Besorgnis und trat abermals näher.
»Ja, ja.« Sie winkte ab, ohne sich zu ihm umzudrehen. Als sie das Sofa erreichte, verkrampfte sich ihr Magen so stark, dass sie sich krümmte und vor Schmerz aufstöhnte. Mit einem Arm hielt sie sich den Bauch, mit dem anderen klammerte sie sich an ihrem Sitzmöbel fest.
»Warte, lass mich …« Vaughn war nun nah und legte seine Hand an ihren Ellbogen.
»Nein«, forderte Prynn schroff, drehte den Kopf und fixierte ihn mit ihrem Blick. »Nein«, wiederholte sie ruhiger. »Es geht mir gut.«
Sie entzog ihm den Ellbogen, lehnte sich zurück und ließ sich langsam auf das Sofa gleiten. »Dr. Bashir zufolge darf ich gehen, solange ich es nicht übertreibe.«
»Wie schlimm ist es?«, fragte Vaughn. »Ich habe mit dem Doktor gesprochen und weiß, dass du dich vollkommen erholen wirst, aber wie schlimm sind die Schmerzen?«
»Es geht schon«, log sie und bemühte sich, flach zu atmen. Ihre Haut klebte an ihrer Kleidung. Vor die Wahl gestellt, glaubte Prynn, mit dem Schmerz leben zu können; einzig die Anstrengung, die ihr schon ein paar Schritte bereiteten, erzürnte sie sehr. Vaughns Hilfe war so ziemlich das Letzte, was sie wollte. »Dr. Bashir sagte, er kön-ne die Schmerzen verschwinden lassen, empfehle es allerdings nur, wenn ich im Bett bliebe«, erklärte sie. »Er wollte wohl, dass ich spü-
re, was ich meinem Körper zumute, damit ich es nicht übertreibe.«
»Dann kennt er dich mittlerweile recht gut.« Vaughn lächelte nun breiter als zuvor. Prynn erwiderte nichts. Sie wollte nur, dass diese Konversation endete und sie wieder allein war. »Wirklich«, fuhr er fort. »Du solltest dich schonen.«
»Laut dem Doktor kann ich binnen einer Woche wieder in Teilzeit arbeiten«, sagte sie und ignorierte seine Bemerkung. »Das möchte ich auch.«
»Ich weiß. Und ich bin bereit, auf alles einzugehen, was der Doktor empfiehlt.«
Sie nickte, sah zu Boden. Stille schlich ins Zimmer und umschloss sie. Prynn wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles, was ihr in den Sinn kam, war Small Talk – Worte, die nur belegen würden, wie sehr sie danach strebte, bloß keine wirkliche Unterhaltung mit Vaughn führen zu müssen.
»Prynn.«
Es war erst das zweite Mal seit seiner Versetzung nach Deep Space 9, dass er sie mit ihrem Vornamen ansprach – mit dem, den er ihr gegeben hatte. Sie wusste, was das bedeutete: dass er ihr etwas sagen wollte – und zwar als ihr Vater, nicht als ihr Vorgesetzter. Und es wiederte sie an.
Sie weigerte sich, aufzusehen, hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Neben ihr bewegte sich Vaughn, umrundete ihren Tisch und schritt auf den Stuhl ihr gegenüber zu. Schnell griff Prynn zu, packte das Bild ihrer Mutter, versteckte es. Verflucht, was konnte sie nur tun, um die drohende Unterhaltung zu verhindern?
»Es tut mir leid«, sagte er schließlich. Sie wusste, dass es die Wahrheit war und kannte auch den Grund für sein Bedauern! Natürlich sprach er von ihrer Verwundung, auch wenn das absurd war; schließlich trug er nicht die Verantwortung für die Taten der Jarada und die Explosion auf der Brücke der Defiant . Doch in dieser einfachen Entschuldigung steckte mehr, daran bestand kein Zweifel.
Vaughn entschuldigte sich für das, was er ihrer Mutter angetan hatte.
Endlich hob sie den Kopf, schaute ihn an. Obwohl er fit wirkte, durchzogen Falten sein Gesicht, und seine Augen waren alt. Er hatte ihr früher schon gesagt, dass es ihm leid tat, und damals wie heute machte es keinen Unterschied. Es waren nur Worte. Sie bedeuteten nichts.
»Die Explosion auf der Defiant war ein Unfall«, sagte sie lapidar.
»Es besteht kein Anlass, sich dafür zu entschuldigen, Commander.«
Das letzte Wort glitt über ihre Lippen, bevor sie es aufhalten konnte.
So sehr sie ihn auch aus ihrem Quartier treiben wollte, wusste sie, dass sie sich keinen Gefallen damit tat, sich ihn zum Antagonisten zu machen.
Abermals erfüllte Stille den Raum. Im Geiste hörte sie sich brüllen, er solle verschwinden – aus ihrem Quartier,
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