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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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als sei er noch frei. Er war ein rundgesichtiger, stämmig gebauter junger Baeticaner und von so liebenswürdiger Natur, daß er mir sofort vergab, der Mann zu sein, den er und seine Brüder bei meinem letzten Besuch ihres palastartigen Heims (zweimal) herumgeschubst hatten. Er begrüßte Optatus wie ein verlorenes Lamm. Optatus schien ihm echte Freundschaft entgegenzubringen.
    Rufius Constans, obwohl ziemlich jung für diese Gruppe, hatte auch seinen Weg hierher gefunden. Ich meinte, ihn leicht erröten zu sehen, als ich durch die Tür trat, und nachdem ich einen Sitzplatz gefunden hatte, hielt er sich so weit wie möglich von mir fern. Doch in dem Moment wurde gerade Wein verschüttet, also konnte es auch sein, daß er nur nicht bespritzt werden wollte. Eigentlich sollte der Wein von den Sklaven eingeschenkt werden, aber die wirkten völlig überfordert. Wenn die Gäste mehr wollten, brüllten sie laut danach; falls ihrem Wunsch nicht schnell genug nachgekommen wurde, griffen sie selbst nach den Krügen und gossen beim Einschenken absichtlich daneben.
    Solchen Typen begegnete ich nicht zum ersten Mal. Es war lange her, seit ich sie amüsant gefunden hatte. Ich wußte, wie es weiterginge. Sie würden stundenlang herumsitzen, sich sinnlos betrinken, hohlköpfig über Politik reden, rüde Witze über Frauen machen, mit ihren Wagenlenkern angeben und sich zum Schluß in übertriebenen Angaben über ihren Reichtum und die Größe ihrer Schwänze ergehen. Ihre Hirne waren nicht größer als Kichererbsen, soviel stand fest. Über den Rest wollte ich lieber keine Vermutungen anstellen.
    Unter dieser Gruppe befanden sich mehrere Sprößlinge anderer Familien. Sie wurden mir zwar vorgestellt, aber ich hatte nicht das Gefühl, daß es nötig war, sie mir zu merken. Dabei mußte es sich um die pausbäckigen Erben all der feinen Leute handeln, die Helena und ich bei der Parilia gesehen hatten, jene eng miteinander verbundene Gruppe von Snobs, die in Corduba das Sagen hatten. Eines Tages wären die Bürschchen hier selbst die Snobs. Für die meisten von ihnen würde der Tag kommen, an dem ihr Vater starb, sie verheiratet wurden oder ein enger Freund sehr jung getötet wurde. Dann würden sie sich still und leise von derben jungen Idioten in die totalen Ebenbilder ihrer gesetzten Väter verwandeln.
    »Schwachsinn!« murmelte eine Stimme hinter mir in dem Chaos.
    Ich dachte, ich säße neben Optatus, aber als ich mich umdrehte, saß da jemand, der sich uns ohne vorgestellt zu werden angeschlossen hatte. Ich wußte, wer es war. Ich hatte ihn hier vor dem Haus gesehen, als er Aelia Annaea abholte, und inzwischen erfahren, daß es sich um Quinctius Quadratus handelte.
    Von nahem gesehen war die Ähnlichkeit mit seinem Vater nicht zu leugnen. Er hatte einen dichten Schopf schwarzer, krauser Haare, muskulöse Arme und einen herrischen Ausdruck. Braungebrannt, behaart und mit kräftigen Gesichtszügen. Sportlich und beliebt und strotzend vor Selbstgewißheit und fröhlicher Arroganz. Er trug eine weiße Tunika mit breiten Purpurrändern und hatte sogar seine scharlachroten Stiefel angezogen, etwas, das man in Rom nur selten sieht. Quadratus war ein designierter Senator und neu genug im Geschäft, gern seine Amtskleidung spazierenzuführen. Ich hatte in ihm den vor kurzem ernannten Finanzkontrolleur von Baetica vor mir. Der Prokonsul war zwar nicht glücklich, daß man diesem jungen Mann den Posten gegeben hatte, aber Quadratus prahlte damit. Dadurch erfuhr ich bereits eines: er besaß wenig Gespür.
    Mit seinem Ausruf bewies er mir nicht, daß er Gedanken lesen konnte, sondern äußerte sich nur in ungehobelter Weise über eine Schriftrolle, die er aus dem Bibliotheks-Columbarium gezogen hatte. Ich konnte den Titel nicht erkennen. Er schnaubte höhnisch, rollte sie eng zusammen und stopfte sie wie einen Korken in den Hals eines leeren Weingefäßes.
    »Sieh an, sieh an«, sagte ich. »Man hat mir zwar gesagt, Sie seien charmant und begabt, aber nicht erwähnt, daß Ihre Talente auch die Schnellkritik von Literatur umfassen.«
    »Ich kann lesen«, erwiderte er lässig. »Sagen Sie, kennen wir uns?«
    Ich betrachtete ihn freundlich. »Mein Name ist Falco. Und natürlich weiß ich, wer Sie sind, Quästor.«
    »Kein Grund zur Förmlichkeit«, versicherte er mir auf seine charmante Art.
    »Danke«, sagte ich.
    »Kommen Sie aus Rom?«
    »So ist es«, erwiderte ich zum zweiten Mal an diesem Abend. »Wir wären uns neulich beinahe begegnet,

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