Zwielicht in Cordoba
nicht vor Gericht erscheinen. Überdies besitzt Rom seinen eigenen Snobismus. Zwei Ausländer aus dem Transportgewerbe – wie gut ihre Geschäfte auch laufen mochten – würden nur verachtet. Ich müßte mindestens die Landbesitzer vorladen. Landbesitz zählt. Landbesitz ist etwas Angesehenes. Aber um einen Senator mit einem langen römischen Stammbaum vor Gericht zu stellen, würden selbst Annaeus und Rufius nicht ausreichen. Die Quinctii würden frei ausgehen, falls ich keine Zeugen auftreiben konnte, die das gleiche gesellschaftliche Gewicht hatten wie sie. Und wo waren die?
Ich war froh, persönlich mit diesen beiden Männern gesprochen zu haben, trotz der langen Reise. Was sie mir erzählten, hatte Hand und Fuß. Ihre Einschätzung der Ölhersteller entsprach der meinen. Norbanus und Cyzacus wirkten zu selbstbewußt, um sich einem politischen Emporkömmling anzuschließen – und schlau genug, selbst ein Vermögen zu machen. Was nicht hieß, daß ich nicht trotzdem meine Zweifel hatte: Falls die Männer, die Attractus nach Rom eingeladen hatte, auf seine Vorschläge eingegangen waren, würden sie es mir kaum erzählen. Preisabsprachen funktionieren auf subtile Weise. Niemand gibt je zu, daß sie geschehen.
Bald darauf machte ich mich zum Gehen bereit. »Ich sagte, es gäbe zwei Gründe, warum ich nach Baetica gekommen bin.«
Cyzacus hörte auf, mit seinem Zahnstocher herumzuspielen. »Und was ist der andere?« Für einen geistesabwesenden alten Mann schaltete er ziemlich schnell.
»Kein erfreulicher. An dem Abend, als Sie auf dem Palatin dinierten, wurde ein Mann getötet.«
»Das hat nichts mit uns zu tun.«
»Ich denke doch. Ein weiterer Mann, ein hoher Beamter, wurde schwer verletzt. Vielleicht ist er inzwischen tot. Beide Opfer waren bei dem Essen. Beide speisten sogar mit Attractus – was bedeutet, daß er in die Sache verwickelt ist und Sie als seine Gäste ebenso. Jemand hat an dem Abend einen Fehler gemacht – und das wird sich nicht einfach unter den Teppich kehren lassen.« Das war ein Schuß ins Blaue. Ich hoffte, daß die Baeticaner, falls sie nichts mit den Überfällen zu tun hatten, den wirklichen Täter verraten würden, um sich reinzuwaschen.
»Da können wir Ihnen nicht helfen«, sagte Norbanus. Das war’s dann wohl mit dieser frommen Hoffnung.
»Ach? Warum haben Sie dann Rom am nächsten Tag so eilig verlassen?«
»Unsere Geschäfte waren beendet. Da wir sein Angebot abgelehnt hatten, fanden wir alle, es sei anmaßend, die Gastfreundschaft des Senators noch länger in Anspruch zu nehmen.«
»Sie haben gerade zugegeben, daß Ihnen tatsächlich ein Angebot gemacht wurde«, machte ich ihm klar. Norbanus grinste bösartig.
Seine Rechtfertigung für die rasche Abreise konnte zutreffen. Weiterhin im Haus der Quinctii zu bleiben, nachdem sie sich geweigert hatten, das Attractus-Spiel mitzuspielen, hätte peinlich sein können. Außerdem, wenn ihnen der Plan mißfiel, mochten sie lieber rasch geflohen sein, bevor Attractus versuchte, weiteren Druck auf sie auszuüben. Und falls sie nein gesagt hatten, dann von den Morden hörten und den Verdacht bekamen, daß sie mit den Kartellplänen in Zusammenhang standen, war es nur allzu natürlich, daß sie schnell das Weite suchten.
»Es sieht schlecht aus«, erklärte ich düster. »Eine plötzliche Abreise direkt nach einem Mord wirkt sich vor Gericht meist negativ aus. Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, Beweise für Anwälte zu finden, und ich kann Ihnen versichern, daß sie bei solchen Geschichten zu strahlen anfangen und an erkleckliche Honorare denken.«
»Das sind doch nur wilde Vermutungen«, meinte Norbanus kühl.
»Nein.«
Meine einfache Antwort brachte sie beide zum Schweigen.
Cyzacus erholte sich als erster. »Die Opfer haben unser Mitgefühl.«
»Dann sind Sie vielleicht bereit, mir zu helfen. Ich muß ein Mädchen finden, das aus Hispalis stammt. Um es in der vorsichtigen offiziellen Sprechweise auszudrücken: Wir glauben, daß sie möglicherweise wichtige Informationen in Bezug auf die Todesfälle besitzt.«
»Sie hat’s getan?« höhnte Norbanus grob.
Ich lächelte. »Sie war bei dem Essen und tanzte für Attractus. Er behauptet, sie nicht zu kennen, obwohl er ihr Honorar bezahlt hat. Sie haben sie vielleicht erkannt. Ihr Name ist Selia – vermutlich.«
Zu meiner Überraschung machten sie keine Ausflüchte: sie kannten Selia. Und sie hieß tatsächlich so. Sie stammte von hier, war mäßig begabt und hatte es
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