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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Oberspion ja mit der Bezahlung seiner Agenten noch weiter im Rückstand als gewöhnlich. Das wäre typisch, wenn ihm auch nicht viele seiner lahmarschigen Schlafmützen dafür gleich den Schädel eingeschlagen hätten.
    Falls Selia unschuldig war, mußte ich immer noch den tatsächlichen Mörder ausfindig machen. Und ich würde wieder ganz am Anfang stehen.
    Wie immer die Wahrheit auch lauten mochte – und als Realist, der ich bin, hielt ich sie für die Mörderin –, diese Frau wußte, daß ich nach Baetica gekommen war. Sie würde auf mich warten. Ich überlegte sogar, zur örtlichen Wache zu gehen und um eine Eskorte zu bitten, eine Möglichkeit, die ich aus schierer römischer Borniertheit verwarf. Lieber ging ich allein. Aber ich hatte nicht vor, einfach bei ihr aufzukreuzen und wie ein unschuldiger Passant um einen Schluck Wasser zu bitten. Eine falsche Bewegung, und die gefährliche Dame brachte mich vielleicht um.
     
    Ich muß ziemlich grimmig ausgesehen haben. Selbst die Parzen hielten mich für so pessimistisch, daß sie befürchteten, ich würde meine Arbeit ein für alle mal an den Nagel hängen und sie dadurch um eine Menge Spaß bringen. Also beschlossen sie zum allerersten Mal, mir eine helfende Hand zu reichen.
    Die Hand war tintenverschmiert, hatte abgekaute Fingernägel und gehörte zu einem dürren Arm, der aus einer eingelaufenen, langärmligen Tunika mit völlig ausgefransten Manschetten hervorragte. Der Arm hing an einer Schulter, über die eine abgewetzte Tasche mit zurückgeschlagener Klappe geschlungen war, aus der Notiztafeln herauslugten. Die Schultern dienten als knochiges Kleidergestell für den Rest der Tunika, die unter den Knien dieser kleinen, traurig blickenden Gestalt mit verquollenen Augen und ungekämmtem Haar endete. Jeder ausgetrocknete Riemen der Sandalen kringelte sich an den Enden. Die ganze Haltung des Mannes verriet, daß er ständig abgewiesen und verflucht wurde. Seine Bezahlung war zweifellos äußerst mager. Bevor er mir die Tragödie bestätigte, schloß ich daraus, daß er für die Regierung arbeitete.
    »Heißen Sie Falco?« Vorsichtig schüttelte ich die tintenverschmierte Hand als Zeichen, daß dem so sein mochte. Ich fragte mich, woher er es wußte. »Ich bin Gnaeus Drusillus Placidus.«
    »Erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte ich. Was nicht stimmte. Ich wappnete mich schließlich gerade für meinen Besuch bei Selia und war in halbwegs angenehme Erinnerungen an sie versunken gewesen. Es schmerzte, da herausgerissen zu werden.
    »Ich dachte, Sie wären flußabwärts gekommen, um mit mir zu sprechen.«
    »Sie wußten, daß ich hier bin?« fragte ich zögernd.
    »Der Schreiber des Quästors riet mir, nach Ihnen Ausschau zu halten.« Der alte schwarze Sklave aus Hadrumetum, der, der die Korrespondenz mit Anacrites verschusselt hatte – oder sie sich hatte klauen lassen.
    »Er hat mir nichts von Ihnen erzählt!«
    Der Mann schaute mich überrascht an. »Ich bin der Prokurator«, rief er wichtigtuerisch. »Ich überwache die Hafensteuern und die Exportsteuer.« Meine Begeisterung ließ immer noch zu wünschen übrig. Verzweifelt senkte er die Stimme und zischte: »Ich bin derjenige, der die ganze Sache ins Rollen gebracht hat!«
    Beinahe hätte ich mich durch die Frage »was ins Rollen gebracht?« als völliger Trottel dargestellt. Aber seine Eindringlichkeit und die Art, wie er sich ständig nach möglichen Lauschern umschaute, erklärte alles.
    »Sie waren das!« murmelte ich diskret, aber in dem anerkennenden Ton, den der Mann verdiente. »Sie waren der scharfäugige Bursche, der als erster an Anacrites schrieb und den Alarm auslöste!«

XLV
    Jetzt sah ich ihn mir genauer an. Was den ersten Eindruck auch nicht verbesserte. Ich hätte gern behauptet, er wäre übertrieben diensteifrig gewesen, aber er verhielt sich nur vollkommen gradlinig. Niemand mag Regierungsbeamte, über die er sich nicht beschweren kann.
    Wir traten näher ans Wasser und gaben uns absichtlich zwanglos. Als Prokurator verfügte er natürlich über ein eigenes Büro, aber sein Angestelltenstab bestand sicher hauptsächlich aus Staatssklaven. Sie würden ganz aufrichtig wirken – bis zu dem Tag, auf den es ankam. Was er und ich zu besprechen hatten, konnte das große Geheimnis sein, mit dessen Verkauf sie sich alle gesundzustoßen hofften.
    »Woher stammen Sie?« fragte ich. »Sie sind nicht aus Baetica? Für mich klingen Sie römisch, haben diesen näselnden Tonfall des Palatin.«
    Die Frage

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