Zwielicht in Cordoba
schwer, da allgemein nur Tänzerinnen aus Gades verlangt wurden. (Die Tänzerinnen aus Gades hatten sich zu einer Organisation zusammengeschlossen, in die niemand von außerhalb aufgenommen wurde … Das klang irgendwie vertraut.) Cyzacus und Norbanus erinnerten sich daran, Selia beim Essen auf dem Palatin gesehen zu haben. Es hatte sie überrascht, aber sie nahmen an, daß ihr schließlich der große Durchbruch in Rom gelungen war. Vor kurzem hatten sie gehört, sie sei wieder in Hispalis, also nahmen sie an, daß es doch nicht geklappt hatte.
Ich sah Cyzacus scharf an. »Wie gut kennen Sie sie wirklich? Könnte Selia das Liebchen sein, das sich hier kürzlich nach Ihnen erkundigt hat?«
»Mädchen wie Selia sind im Vereinslokal der Flußschiffer nicht willkommen«, behauptete er.
»Also hat sie Sie nicht gefunden?«
»Das stimmt«, erwiderte er mit kühlem Blick, der darauf hindeutete, daß er schon wieder log, ich aber nichts weiter aus ihm herausbekommen würde.
Geduldig erklärte ich, warum ich danach fragte. »Es gibt noch eine weitere Frau, die herumläuft und Fragen stellt. Beide sind äußerst suspekt. Ich muß wissen, was sie im Schilde führen. Die Gildebrüder hier deuteten an, daß das Mädchen, das hier auftauchte, hübsch gewesen sei – aber ihre Ansprüche sind vielleicht flexibler als meine.« Die Drückeberger, die hier würfelten, sahen aus, als würde sie alles, was einen Rock trug, zum Sabbern bringen. »War es nun Selia oder nicht?«
»Da ich sie nicht zu sehen bekommen habe«, knurrte Cyzacus, »kann ich es nicht sagen.«
Er und Norbanus hatten genug von mir, aber als ich ihnen die wichtigste Frage stellte, wußten sie die Antwort und gaben sie mir, ohne zu zögern: Sie erklärten mir den Weg zu Selias Wohnung.
XLIV
Ich ging zurück zu den Kais, wollte den Gedanken an Männer loswerden, die in angenehmer Gesellschaft gemütlich speisten – und das dann Geschäftsessen nannten. Ich haßte meine Arbeit. Ich war es leid, allein zu arbeiten und zu wissen, daß ich nicht mal den Leuten trauen konnte, die mich engagiert hatten. Dieser Fall war noch unerfreulicher als die üblichen. Ich hatte die Schnauze voll davon, ein Spielball in der sinnlosen bürokratischen Fehde zwischen Laeta und Anacrites zu sein.
Helena hätte, wäre sie hier gewesen, tiefstes Mitgefühl gezeigt und mich dann mit dem Vorschlag aufgeheitert, ich solle es doch mal als Fransenannäher für Wildlederbörsen mit eigenem Stand auf der Via Ostiana versuchen. Allein der Gedanke daran ließ mich grinsen. Ich brauchte sie.
Düster starrte ich auf den Hafen. Mehr Schiffe, als ich erwartet hätte, waren durch die Meerenge des Herkules in den breiten Golf des Atlantischen Ozeans gesegelt, vorbei an Gades, vorbei am Leuchtturm bei Turris Caepionis und durch die weite Flußmündung des Baetis hinauf nach Hispalis. Große Handelsschiffe aus dem gesamten Mare Internum und sogar Hochseeschiffe, die den gefährlichen Weg außen um Lusitanien herum nach Nordgallien und Britannien wagten. Sie waren an den Kais oder im Kanal festgemacht. Manche ankerten auch draußen im Fluß, weil es nicht genug Anlegestellen gab. Für die Lastkähne, die von Corduba herunter kamen, gab es eine Warteschlange. Und das bereits im April. Wie mochte es dann erst nach der Olivenernte zugehen?
Wir hatten nicht mehr April. Es war bereits Mai. Irgendwann in diesem Monat würde Helena unweigerlich unser Kind zur Welt bringen. Während ich träumend hier stand, lag sie vielleicht schon in den Wehen …
Endlich war ich im Besitz von Selias Adresse. Trotzdem hatte ich es nicht eilig, ihr hinterherzujagen. Ich überdachte die Sache genauso sorgfältig wie ein Mann, dem nach einer Ewigkeit der entscheidende Schritt bei einem spröden Mädchen gelungen ist – und das mit der gleichen Mischung aus Erregung und Nervosität. Ich konnte von Glück sagen, wenn mir nichts Schlimmeres passierte als eine saftige Ohrfeige.
Bevor ich die Tänzerin aufsuchte, mußte ich mich vorbereiten. Mich wappnen. Sie war eine Frau; damit konnte ich fertig werden. Nun ja, als Mann bin ich mir diese Zuversicht schuldig. Viele von uns sind damit auf die Nase gefallen. Sie mochte sogar auf meiner Seite stehen – falls ich eine solche hatte. Die Beweise in Rom deuteten darauf hin, daß Selia eine Mörderin war. Das konnte ein Irrtum sein. Vielleicht arbeitete sie für Anacrites. Falls dem so war, mußte jemand anderes Valentinus und ihn überfallen haben. Vielleicht lag der
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